Leitsatz
1. Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten begründet regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH. Das gilt auch im Fall der nachträglichen Pauschalierung der Lohnsteuer.
2. Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt es sich nicht um eine Unternehmenssteuer eigener Art, sondern um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer (Aufgabe der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 03.05.1990 – VII R 108/88, BFHE 160, 417, BStBl II 1990, 767).
Normenkette
§ 34 Abs. 1, § 69, § 191 AO, § 40 EStG, § 15b InsO
Sachverhalt
Das FA hatte die Klägerin als Geschäftsführerin einer GmbH u.a. für pauschalierte LSt nach § 69 AO in Haftung genommen.
Im Rahmen einer LSt-Außenprüfung bei der GmbH war festgestellt worden, dass in der Vergangenheit für die private Nutzung eines Firmen-Kfz durch die Klägerin keine LSt angemeldet, einbehalten und abgeführt worden war. Ferner setzte der Prüfer für einen geschätzten Anteil von an die Arbeitnehmer der GmbH erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen, die bisher in vollem Umfang als steuerfrei behandelt worden waren, als steuerpflichtig an. Das FA führte in Umsetzung dieser Feststellungen im Einvernehmen mit der GmbH eine pauschale Nachversteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG bzw. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG durch und setzte mit Nachforderungsbescheid LSt und SolZ zur LSt fest.
Diese pauschalierte LSt war zwar nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, jedoch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH fällig.
Das FG urteilte, auch für die mit Nachforderungsbescheid festgesetzte pauschale LSt habe das FA die Klägerin zu Recht als Haftende in Anspruch genommen (FG München, Urteil vom 29.5.2020, 8 K 2529/19, Haufe-Index 14033453, EFG 2020, 1347). Sie wäre verpflichtet gewesen, die fraglichen Lohnabzugsbeträge in die monatlichen LSt-Anmeldungen aufzunehmen, einzubehalten und abzuführen. Zwar bedürfe die pauschale Versteuerung noch der Zustimmung bzw. der Ausübung eines Wahlrechts; es handele sich aber nicht um eine Steuer eigener Art. Bezugspunkt der Haftung bleibe deshalb der Zuflusszeitpunkt des Arbeitslohns.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Im Streitfall ging es u.a. um die Haftung der Klägerin als Geschäftsführerin einer GmbH für pauschalierte LSt. Nach § 40 Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber die LSt in bestimmten Fällen mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erheben. Er hat die pauschale LSt zu übernehmen und ist nach § 40 Abs. 3 EStG deren Schuldner. Es handelt sich dabei um eine von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer und nicht um eine Unternehmenssteuer eigener Art. Dieser von verschiedenen Senaten vertretenen Auffassung hat sich der VII. Senat im Streitfall erstmals ausdrücklich angeschlossen (anders noch BFH, Urteil vom 3.5.1990, VII R 108/88, BFH/NV 1990, 65, Haufe-Index 63387).
2. Der BFH hat im Streitfall deutlich herausgestellt, dass es bei der Haftung für pauschalierte LSt – ausgehend vom Inhalt des Haftungsbescheids – nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit dieser LSt, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der LSt zu den gesetzlich vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten ankommt.
Dem lag ein Haftungsbescheid zugrunde, der zwar der Höhe nach auf die pauschalierte LSt laut Nachforderungsbescheid Bezug nahm, jedoch in erster Linie auf die unvollständige Anmeldung und infolgedessen zu niedrige Abführung der LSt abstellte. Erst unlängst hat der BFH klargestellt, dass sich die maßgebliche Handlung bzw. Unterlassung nach dem Inhalt des Haftungsbescheids richtet (BFH, Urteil vom 19.1.2021, VII R 38/19, Rz. 28, Haufe-Index 14522817, BFH/NV 2021, 1057).
3. Reichen die dem Geschäftsführer zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils) nicht aus, so darf der Geschäftsführer die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende LSt an das FA abführen. Ob dieser Grundsatz der anteiligen Tilgung auch auf die pauschalierte LSt nach § 40 Abs. 2 EStG Anwendung findet, musste der BFH nicht entscheiden, weil es – wie unter 1. ausgeführt – nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der pauschalierten LSt ankam.
4. Schließlich hat der BFH an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach der Geschäftsführer bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 InsO substanziiert darlegen und ggf. nachweisen muss, welche Schritte er zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte und dass und aus welchen Gründen sich deren Weiterverfolgung wegen der Haltung des vorl...