Nach § 71 AO haften der Täter und der Teilnehmer einer Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO.
3.1 Voraussetzungen der Haftung
Die Haftung nach § 71 AO setzt nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung voraus:
- eine vollendete Steuerhinterziehung oder
- Steuerhehlerei.
Es müssen also bei diesen beiden Steuerstraftaten sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen der §§ 370, 374 AO erfüllt sein. Eine Wahlfeststellung zwischen beiden Delikten ist zulässig.Nicht in Betracht kommt eine Haftung nach § 71 indes, wenn der Täter einen Subventionsbetrug begangen hat. Gegeben sein müssen also nach den allgemeinen strafrechtlichen Kriterien:
- Tatbestandsmäßigkeit,
- Rechtswidrigkeit,
- Schuld.
Ein Schuldausschließungsgrund, z. B. Irrtum oder entschuldigender Notstand, schließt die Haftung nach § 71 AO aus. Kein Haftungsausschluss ist beim Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige nach § 371 AO gegeben. Hierbei handelt es sich nämlich nicht um einen Schuldausschließungsgrund, sondern lediglich um einen Strafaufhebungsgrund. Der Staat verzichtet hierbei allein aus fiskalischen Gründen auf seinen Strafanspruch.
Die Voraussetzungen der §§ 370, 374 AO hat das Finanzamt – später u. U. das FG – eigenständig zu prüfen. An die Entscheidung der Strafgerichte ist es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht gebunden. Das gilt im Übrigen auch umgekehrt. Das Finanzamt bzw. FG kann sich aber Feststellungen aus einem Strafurteil zu eigen machen, es sei denn, dass die Beteiligten dagegen substantiierte Einwendungen vortragen.
Bei der Prüfung des § 71 AO ist der Grundsatz "in dubio pro reo" ("im Zweifel für den Angeklagten") zu beachten. Lässt sich nicht klären, ob eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei gegeben ist, ist strafrechtlich eine Wahlfeststellung zulässig, die auch die Haftung nach § 71 AO rechtfertigt. Bleibt die Tat im Versuchsstadium stecken, kommt eine Haftung nach § 71 AO nicht in Betracht, da die Bestimmung ausdrücklich eine vollendete Tat erfordert.
3.2 In Betracht kommender Personenkreis
Die Haftung erstreckt sich nach dem Wortlaut des § 71 AO nicht nur auf den unmittelbaren Täter, sondern auch auf den Teilnehmer der Tat. Dies können Anstifter oder Gehilfen sein, selbst dann, wenn der Haupttäter unbekannt bleibt. Keine Haftung kommt hingegen in Betracht für den Täter einer Begünstigung. Beispiele für mögliche Haftende sind etwa:
- Buchhalter und Steuerberater helfen dem Steuerpflichtigen, eine unrichtige Steuererklärung abzugeben. Buchhalter und Steuerberater haften nach § 71 AO. Das gilt auch dann, wenn sich nicht klären lässt, ob diese Personen Täter oder Teilnehmer sind. Eine Wahlfeststellung ist zulässig.
- Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer im Lohnsteuerabzugsverfahren.
- Der Lieferant zu einem Schwarzgeschäft, wenn er Beihilfe durch Rechnungssplitting leistet, da er hierdurch die Steuerhinterziehung erleichtert.
- Fraglich erscheint nach der Rechtsprechung des BFH die Haftung des Leiters einer Wertpapierabteilung einer Bank, der es zulässt, dass Wertpapiere anonym ins Ausland verlagert werden.