Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Eine haftungsbegründende Unternehmensfortführung i. S. d. § 25 HGB liegt auch dann vor, wenn der bisherige Inhaber zwar nach Übertragung des Eigentums am Betriebsgrundstück auf die Ehefrau seinen Betrieb unter Kündigung der bisherigen Angestellten beendet hat, die Ehefrau nunmehr jedoch im Betriebsgebäude nach Anstellung neuer Arbeitskräfte dieselben Tätigkeitsbereiche wie zuvor der Ehemann anbietet und u. a. dem wichtigsten Kunden lediglich eine Unternehmensumstrukturierung suggeriert.
Sachverhalt
Streitig war, ob die Antragstellerin für die Steuerschulden ihres Ehemanns nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB haftet, weil sie sein Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführte. Der Ehemann der Antragstellerin war bis zum 31.3.2008 als Einzelunternehmer unter der Firmenbezeichnung "B. - Fachbetrieb für Einbruchschutz, Schließanlagen - Briefkästen - Tresore - Schloss- & Schlüsselcenter" tätig. Neben dem Einbau von Schlössern, Schließanlagen, sonstigen Einbruchssicherungen, dem Fertigen von Nachschlüsseln, Briefkastenanlagen, Beschilderungen und sonstigen Gravuren bot er einen Schlüsselnotdienst an und handelte mit Briefkästen, Schlüsseln, Schlössern, Pokalen und Schildern. Er beschäftigte 2 Monteure und zeitweise 1 Bürokraft. Zudem arbeitete die Antragstellerin im Unternehmen mit. Im Handelsregister war er nicht eingetragen. Das Grundstück befand sich im Eigentum des Ehemanns.
Nach den Feststellungen des Finanzamts betrugen die Nettoumsatzerlöse in 2007 rund 247.450 EUR. Zum 31.3.2008 meldete der Ehemann sein Unternehmen ab und entließ seine Mitarbeiter und hatte zuvor bereits das Grundstück auf seine Ehefrau übertragen.
Zum 1.4.2008 meldete die Antragstellerin in dem übertragenen Grundstück einen "Fachbetrieb für Einbruchschutz" als Einzelunternehmen beim Gewerbeamt an, der nicht in das Handelsregister eingetragen werden sollte und wurde. Sie nutzte im Geschäftsverkehr fortan ebenfalls die Bezeichnung "B. - Fachbetrieb für Einbruchschutz, Schließanlagen - Briefkästen - Tresore - Schloss- & Schlüsselcenter" sowie die Bezeichnung "B. Fachhandel". Gleichfalls verwendet sie die Telefonnummer und die Telefaxnummer sowie die Internetadresse des Betriebs ihres Ehemanns weiter. Auch die Gestaltung des Geschäftsbriefpapieres und der Visitenkarten, insbesondere die Gestaltung des Firmenlogos blieb unverändert.
Das Finanzamt nahm die Antragstellerin mit Haftungsbescheid nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB für offene Beträge wegen Umsatzsteuer 2005, Zinsen zur Umsatzsteuer 2005 und Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 2005 in Haftung. Dagegen legte die Antragstellerin am 3.5.2011 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, u. a. mit dem Hinweis, § 25 HGB sei schon deshalb nicht einschlägig, weil es sich bei dem Unternehmen des Ehemanns nicht um ein Handelsgeschäft, sondern um einen kleinen Handwerksbetrieb handele.
Entscheidung
Das FG wies den Antrag ab. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB haftet, wer ein unter lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ist zwar nur auf ein kaufmännisches Handelsgeschäft i. S. d. HGB anwendbar. Diese Voraussetzungen lagen jedoch bis zum 31.3.2008 bei dem vom Ehemann betriebenen Unternehmen vor. Nach § 1 HGB ist Kaufmann, wer ein Handelsgewerbe betreibt. Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderte. Ein in die Handwerksrolle, nicht aber in das Handelsregister eingetragener Betrieb mit einer umfangreichen Lagerhaltung, der neben dem Einbau von Schlössern, Schließanlagen, sonstigen Einbruchssicherungen, dem Führen von Schließakten, dem Fertigen von Nachschlüsseln, Briefkastenanlagen, Beschilderungen und sonstigen Gravuren u. a. einen Schlüsselnotdienst anbietet, mit Briefkästen, Schlüsseln, Schlössern, Pokalen und Schildern handelt und einen Jahresumsatz von knapp 250.000 Euro erzielt, erfordert einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb und ist ungeachtet dessen ein Handelsgewerbe i. S. v. § 1 Abs. 2 HGB, dass er nur 3 Angestellte hat und Größe sowie Organisation der Betriebsstätte überschaubar sind.
Auch die Haftungsinanspruchnahme nach § 25 HGB durch das Finanzamt war zutreffend und ermessensgerecht, da die Vorschrift immer dann greift, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB knüpft allein an die nach außen in Erscheinung tretende Kontinuität des Unternehmens als tragenden Grund für die Erstreckung der Haftung auf den Erwerber an....