OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 13.11.2013, Kurzinformation ESt Nr. 28/2013
Mit Urteil vom 25.6.2009, IX R 42/08 (BStBl 2010 II S. 220) und Beschluss vom 18.3.2010, IX B 227/09 (BFH/NV 2010 S. 1022) hat der BFH – entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung – entschieden, dass der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) im Zusammenhang mit Einkünften aus der Veräußerung oder Auflösung einer Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 und 4 EStG jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG begrenzt ist, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat.
Das BMF hat den bisherigen Nichtanwendungserlass vom 15.2.2010 (BStBl 2010 I S. 181) mit Schreiben vom 28.6.2010, IV C 6 – S 2244/09/10002, DOK 2010/0464101 wieder aufgehoben. Es wurde mit dem BFH-Beschluss vom 18.3.2010, IX B 227/09 im BStBl veröffentlicht (BStBl 2010 I S. 599).
Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 25.6.2009 (IX R 42/08) sind damit über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden. Mit dem JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl 2010 I S. 1768; BStBl 2010 I S. 1394) wurde die gesetzliche Regelung jedoch um § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG ergänzt. Danach findet das Teilabzugsverbot ab Veranlagungszeitraum 2011 (§ 52 Abs. 8a Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010) auch Anwendung, wenn keinerlei durch die Beteiligung vermittelte Einnahmen angefallen sind.
Zur Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze in Fällen der Verlustrealisierung bis zum 31.12.2010 gebe ich folgende ergänzende Hinweise:
Ein Verlust im Sinne des § 17 EStG ist ohne Anwendung des Halb- (bis VZ 2008) bzw. Teileinkünfteverfahrens (VZ 2009 und 2010) in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige weder einen Veräußerungserlös (§ 17 Abs. 2 EStG) noch eine Kapitalrückzahlung (§ 17 Abs. 4 EStG) noch irgendeinem Zeitpunkt eine offene oder verdeckte Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG) vereinnahmt hat.
In voller Höhe zu berücksichtigende Verluste i.S. des § 17 EStG sind nicht zur Kz 45.26/27 („Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG”), sondern übergangsweise zur Kz 45.22/23 („Verluste aus der Veräußerung nach § 16 EStG”) anzuweisen. Die Anweisung zur Kz 45.26/27 bewirkt bei der Kirchensteuerfestsetzung eine Korrektur nach § 51a Abs. 2 Satz 2 EStG und damit eine zu niedrige Kirchensteuer-Festsetzung.
Hat der Steuerpflichtige einen Veräußerungserlös, eine Rückzahlung auf das Eigenkapital oder eine Gewinnausschüttung erhalten, so ist der Verlust entsprechend den Grundsätzen des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens zu kürzen. Das gilt jedoch nur, wenn auf die zugeflossenen Einnahmen ebenfalls das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren anzuwenden war. Hat der Steuerpflichtige ausschließlich Gewinnausschüttungen erzielt, die noch unter das Anrechnungsverfahren fielen, begründet dies die Anwendung des Halbabzugsverbotes nicht (BFH-Urteil vom 6.4.2011, IX R 28/10, BStBl 2011 I S. 814).
Entsprechendes gilt auch, wenn der Steuerpflichtige aus der Beteiligung Einnahmen erzielt hat, die in den Jahren 2009 und 2010 der Abgeltungssteuer nach § 32d Abs. 1 EStG unterlagen und der Steuerpflichtige keinen Antrag auf tarifliche Besteuerung im Regime des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG (Zeilen 24 und 25 der Anlage KAP 2009/2010) gestellt hat. Anträge auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG (Zeile 5 der Anlage KAP 2009/2010) und auf die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG (Zeile 4 der Anlage KAP 2009/2010) sind unbeachtlich.
Die Kürzung ist unabhängig von der Höhe der erzielten Einnahmen vorzunehmen, so dass auch geringe Gewinnausschüttungen oder Veräußerungspreise für die Anwendung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens ausreichend sind. Vor diesem Hintergrund bitte ich in Fällen der Liquidation oder der Insolvenz der Kapitalgesellschaft zu prüfen, ob an den Anteilseigner im Rahmen der Abwicklung Wirtschaftsgüter aus dem Gesellschaftsvermögen (insbesondere abgeschriebene Wirtschaftsgüter der Betriebs- und Geschäftsausstattung) ausgekehrt wurden. Soweit Wirtschaftsgüter im Rahmen der Liquidation zu fremdüblichen Bedingungen an den/die Gesellschafter veräußert werden, handelt es sich bei dem Veräußerungserlös allerdings nicht um eine Einnahme aus der Beteiligung die das Halb- bzw. Teilabzugsverbot zur Folge hat.
Veräußerungspreis (§ 17 Abs. 2 bzw. 4 EStG) von mehr als 1 EUR:
Der BFH hat mit Urteilen von 6.4.2011, IX R 40/10 (BStBl 2011 II S. 785) und vom 20.4.2011, I R 97/10 (BStBl 2011 II S. 815) entschieden, dass das Halbeinkünfteverfahren und das Halbabzugsverbot auch anzuwenden sind, wenn der Steuerpflichtige wegen lediglich geringfügiger Veräußerungseinnahmen im Ergebnis einen Verlust erwirtschaftet hat. Die hiergegen angestrengte Verfassungsbeschwerde (Az. beim BVerfG 2 BvR 2690/11) wurde mit Beschluss vom 20.8.2013 nicht zur Entscheidung angenommen. Über die aufgrund der anhängigen Verfassungsbeschwerde ruhenden ...