rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung des Vorsteuerabzugs bei Bösgläubigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Unternehmer, der wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, ist für die Zwecke der MwStSystRL als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob er im Rahmen seiner besteuerten Ausgangsumsätze aus dem Weiterverkauf der Gegenstände oder der Verwendung der Dienstleistungen einen Gewinn erzielt.
- Die Finanzbehörden können von dem Unternehmer, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, aber nicht generell verlangen, zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Unternehmer ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und Abführung der Umsatzsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorhergehenden Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder zum anderen entsprechende Unterlagen vorzulegen
- Trotz hinreichender Überprüfung zu Beginn der Geschäftsbeziehungen kann nach den Umständen des Einzelfalls das spätere Anbieten von Mehrfachdurchläufen ab diesem Zeitpunkt die Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers begründen.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 25 f Abs. 2 Nr. 2
Streitjahr(e)
2021
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt in der Hauptsache die Zustimmung des Antragsgegners zu ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für den Voranmeldungszeitraum September 2021 und Auszahlung des Umsatzsteuerüberschusses.
Die Antragstellerin, deren Gesellschafter die A mit einem Geschäftsanteil von 55 % sowie ihr Geschäftsführer mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 45 % sind, ist als Distributorin/Großhändlerin im Großhandel mit
Zubehör für B tätig. Seit April 2019 handelt sie in großem Umfang mit C der Marke D Seit September 2019 bezieht sie die D vornehmlich von dem Lieferanten E mit Sitz in F. Sie verkauft den Großteil der Ware an Händler im übrigen Gemeinschaftsgebiet und im Ausland. Die hierdurch generierten steuerfreien Umsätze mit Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Lieferungen und aus Ausfuhrlieferungen führen in den Voranmeldungszeiträumen in aller Regel zu einem Überschuss der Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuer. Die angemeldeten Vorsteuerabzugsbeträge gehen zum weitaus größten Teil auf Rechnungen der E zurück.
Der Antragsgegner verweigerte den Umsatzsteuervoranmeldungen der Antragstellerin für September 2019 bis einschließlich Januar 2020 unter Hinweis auf eine Umsatzsteuersonderprüfung und laufende Auskunftsersuchen die Zustimmung. Im Hintergrund stand der Verdacht der Einbindung der Antragstellerin in ein betrügerisches Umsatzsteuerkarussell mit D. Der Senat verpflichtete den Antragsgegner mit Beschluss vom 13.03.2020 in dem anhängig gewesenen vorläufigen Rechtsschutzverfahren 1 V 276/20 im Wege der einstweiligen Anordnung, den Umsatzsteuervoranmeldungen der Antragstellerin für die Monate November und Dezember 2019 zuzustimmen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 13.03.2020 in der Gerichtsakte 1 V 276/20 (Bl. 153 f.) verwiesen.
Mit Verfügung der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Antragsgegners vom 11.03.2021 wurde gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume April 2020 bis einschließlich Januar 2021 zugunsten der Antragstellerin eingeleitet, gegründet auf den Vorwurf der Einbindung der Antragstellerin in ein sogenanntes Umsatzsteuerkarussell im Handel mit D. Wegen der Einzelheiten der diesbezüglichen Feststellungen wird auf den Einleitungsvermerk der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Antragsgegners vom 11.03.2021 (Bl. 387, 389 f. der Gerichtsakte) verwiesen.
Für die Monate September und Oktober 2021 erklärte die Antragstellerin - soweit vorliegend von Interesse - steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Lieferungen sowie aus Ausfuhrlieferungen, steuerpflichtige Umsätze aus Lieferungen und Leistungen im Inland zum Regelsteuersatz, steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe sowie abziehbare Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen inländischen Unternehmen, wobei die
geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträge wiederum zum weitaus größten Teil, nämlich in Höhe von … EUR aus Rechnungen der Firma E resultierten. Sie errechnete für September 2021 einen Überschuss der Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuer in Höhe von … EUR, für Oktober 2021 in Höhe von … EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Steueranmeldungen für September und Oktober 2021 (Bl. 82 f. und 84 f. der Gerichtsakte) verwiesen.
Der Antragsgegner verweigerte mit Verfügung vom 06.12.2021 (Bl. 385 der Gerichtsakte) die Zustimmung zu den Umsatzsteuervoranmeldungen September und Oktober 2021...