rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungsverbot nach § 176 AO bei Änderungen nach Vorliegen von Umsatzsteuervoranmeldungen
Leitsatz (redaktionell)
- Der Schutz des § 176 Abs. 2 AO beschränkt sich auf Fälle, in denen im Zeitpunkt der Entscheidung eines Obersten Gerichtshofs oder des Ergehens einer geänderten allgemeinen Verwaltungsvorschrift bereits ein Steuerbescheid vorlag.
- Soweit für einen betroffenen Voranmeldungszeitraum bereits Voranmeldungen ergangen sind, können diese bei Änderung der Rechtslage eine Anwendung des § 176 AO nicht rechtfertigen, da die Umsatzsteuerfestsetzung erst durch den Eingang der Umsatzsteuererklärung erfolgt.
Normenkette
AO § 176 Abs. 2; UStG § 20 Abs. 19, § 13b
Streitjahr(e)
2013
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten im Hauptsacheverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2013, gestützt auf § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), eingeführt durch Art. 7 Nr. 9 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25. Juli 2014 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I 2014, 1266).
Die Antragstellerin ist im Handelsregister B des Amtsgerichts A Bl. XXXX eingetragen. Gegenstand ihres Unternehmens ist u.a. die Errichtung von Hochbauten und schlüsselfertiges Bauen.
Mit Schreiben vom 12. November 2014 teilte das Finanzamt B dem Antragsgegner (das Finanzamt C - FA -) mit, im Streitjahr habe die Antragstellerin gegenüber der Bauträgerfirma D (KG) Bauleistungen ausgeführt. Diese habe die Umsatzsteuer für die Bauleistungen im Rahmen ihrer Bauträgertätigkeit nach § 13b UStG angemeldet und bezahlt. Nunmehr habe die KG - soweit sie als Bauträger tätig geworden sei - unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom
22. August 2013 (V R 37/10) die Rückerstattung der insoweit entrichteten Umsatzsteuer durch Übermittlung geänderter Umsatzsteuervoranmeldungen 2013 und 2014 beantragt. Hierbei handele es sich um folgende Leistungen:
Rechnungsdatum |
Rechnungsnr. |
Rechnungsbetrag |
Art der Leistung |
Skonto |
07. November 2013 |
13-12/01 |
10.000,-- € |
Rohbauarbeiten „E” |
|
19. November 2013 |
13-12/02 |
20.000,-- € |
|
27. November 2013 |
13-12/03 |
20.000,-- € |
|
11. Dezember 2013 |
13-12/04 |
12.500,-- € |
171,-- € |
Mit Schreiben vom 22. November 2014 teilte das FA der Antragstellerin mit, nachdem die KG unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung beantragt habe, nicht mehr Steuerschuldnerin der streitgegenständlichen Leistungen zu sein und die Erstattung der entrichteten Umsatzsteuer begehrt habe, sei die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 UStG i.V.m. § 14a Abs. 5 UStG nicht mehr anzuwenden. Sie (die Antragstellerin) sei daher verpflichtet, insoweit berichtigte Rechnungen auszustellen und die geschuldete Umsatzsteuer anzumelden und abzuführen. Es bestehe allerdings auch die Möglichkeit, den sich aus den berichtigten Rechnungen ergebende Zahlungsanspruch an das Land Hessen abzutreten (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG). Gemäß § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG wirke diese Abtretung unter bestimmten Voraussetzungen an Zahlungs statt und führe damit zum Erlöschen des Umsatzsteueranspruchs (§ 47 der Abgabenordnung - AO -). Hinsichtlich der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Aktenausfertigung (Bl. 7 ff. des Umsatzsteuerhefters) Bezug genommen.
Trotz mehrfacher Aufforderung erfolgte keine Stellungnahme der Antragstellerin. In ihrer Umsatzsteuererklärung 2013 vom 30. März 2015 meldete die Antragstellerin Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 52.377,-- € an. Die Steuererklärung wurde ohne Abweichungen verarbeitet. Am 23. April 2015 teilte der Steuerberater der Antragstellerin dem FA telefonisch mit, die Antragstellerin werden keine Rechnungen berichtigten und auch keine geänderten Umsatzsteuererklärung erstellen, da sie auf die Verwaltungsanweisungen vertraut habe und sich auf Vertrauensschutz berufe.
Mit Datum vom 11. Mai 2015 erging ein nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Steuerbescheid durch den - unter Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz um 62.329,-- € - die Umsatzsteuer um 11.842,48 € auf 14.362,79 € erhöht und Zinsen in Höhe von 59,-- € festgesetzt wurden.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 12. Juni 2015 Einspruch eingelegt und wie folgt begründet: Sie (die Antragstellerin) habe im Ausführungszeitraum ihrer Bauleistungen nach den damals geltenden Verwaltungsvorschriften - insbesondere den Regelungen im Abschnitt 13b.3 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) abgerechnet. Die betroffenen Ausgangsrechnungen seien auf dieser Grundlage als Netto-Rechnung ohne Ausweis der Umsatzsteuer unter Hinweis auf § 13b UStG erstellt worden. Eine Änderung der bisherigen Festsetzung verstoße gegen den Vertrauensschutz des § 176 Abs. 2 AO. Dessen Anwendbarkeit sei im Streitfall nicht ausgeschlossen, da die Bestimmung des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG wegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 20 des Grundgesetzes (GG) nichtig sei.
Über den Einspruch wurde bislang noch nicht...