Entscheidungsstichwort (Thema)

Zolltarifliche Eingruppierung von Rückenbandagen

 

Leitsatz (redaktionell)

(= Vorlagefrage)

  1. Fällt unter die Warenbezeichnung “orthopädische Vorrichtungen” im Sinne der Position 9021 KN ein Rückenstützgurt, der überwiegend aus elastischem Spinnstoffgewirken besteht, vorn mit einem Klettverschluß zu schließen und außen mit zwei zusätzlichen, zugelastischen Bändern versehen ist, wobei sich über der Wirbelsäule ein schmaler eingenähter Kunststoffstab befindet und im Rückenteil eine sogenannte Pelottentasche vorgesehen ist?
  2. Fällt ein Rückenstützgurt auch dann unter Anmerkung 1b zu Kapitel 90 KN, wenn die Stützfunktion zwar überwiegend aus der Elastizität des Spinnstoffes folgt, diese jedoch durch die Verwendung unterschiedlich elastischer Spinnstoffe und deren spezielle Art der Verarbeitung verstärkt wird.
 

Normenkette

EGVtr Art. 234; KN 9021; KN 6307

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 07.11.2002; Aktenzeichen C-260/00, C-261/00, C-262/00, C-263/00)

 

Tatbestand

Die Klägerin beantragte am 20. Oktober 1997 für die in der Vorlagefrage bezeichnete Rückenbandage, die in K hergestellt wird, die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft.

Die Klägerin wandte sich mit ihrem Antrag zunächst an die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt der Oberfinanzdirektion N, weil diese für die zolltarifliche Beurteilung von Waren unter anderem des Kapitels 90 KN bundesweit zuständig ist und die Klägerin die Position 9021 KN für zutreffend hält. Die genannte Behörde gab den Antrag weiter, weil nach ihrer Auffassung die Einreihung als “orthopädische Vorrichtung” in die Position 9021 KN eine bestimmte Indikationsstellung voraussetze. Ein nur allgemein prophylaktischer Zweck genüge dafür nicht (vgl. Verwaltungsakten Heft II, Blatt 2). Der Antrag der Klägerin wurde daher an die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt der damaligen Oberfinanzdirektion M weitergeleitet.

Mit Wirkung vom 1. August 1998 ist die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung der Oberfinanzdirektion M der entsprechenden Abteilung der Oberfinanzdirektion Z angegliedert worden, so daß insoweit ein Beklagtenwechsel eingetreten ist.

In ihrem Antrag auf Erteilung der verbindlichen Zolltarifauskunft beschreibt die Klägerin die Ware, für die die Auskunft beantragt wird, wie folgt:

B

Rückenbandage mit Doppelverschlußkombination mit je zwei zugelastischen Doppelgurten, eingenähtem Federstab über der Wirbelsäule zur Stabilisation und großflächiger Pelottentasche im Rückenbereich.

B entlastet den Rücken und fördert den Abbau schmerzhafter Muskelverspannungen.

In der diesem Antrag beigefügten Anziehanleitung (Verwaltungsakten Heft II, Blatt 3 Rückseite) heißt es dazu weiter:

- Diese Rückenbandage fördere den Heilungsprozeß und helfe Rückenschmerzen im Alltag oder bei sportlichen Aktivitäten vorzubeugen.

- Zur Intensivierung der medizinischen Wirkung stünden verschiedene Rückeneinlagen als Zubehörartikel zur Verfügung, und zwar eine Soft-Einlage sowie eine thermoplastische Einlage.

Als medizinische Indikation werden angegeben:

· Therapie und Prävention akuter und chronischer Lumbalgien und Lumboischialgien sowie Anwendung bei chronischen Haltungsstörungen und Reizzuständen.

Am 2. Dezember 1997 wurde die verbindliche Zolltarifauskunft erteilt (2073/97), wobei der Rückenstützgurt in die Position 6307 9010 eingereiht wurde (Verwaltungsakten Heft II, Blatt 10). Die Warenbeschreibung entspricht dabei im wesentlichen den Angaben in der Vorlagefrage, wobei die Verwaltungsbehörde den im Antrag seitens der Klägerin angegebenen Verwendungszweck übernahm und hinzufügte:

“Er dient nur prophylaktischen Zwecken, somit kann keine Einreihung als “orthopädische Vorrichtung” in Position 9021 erfolgen (da keine bestimmte Indikationsstellung).”

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein.

In der Einspruchsakte (Verwaltungsakten Heft I) befindet sich als Blatt 9 eine farbige Abbildung verschiedener Bandagen, die aus Neopren hergestellt und teilweise durch Klettverschluß individuell einstellbar sind. Darauf ist vermerkt, es handele sich dabei um Angebote “aus dem O-Katalog 1998”. Der abgebildete Neoprengürtel hat nicht die Beschaffenheit der Rückenbandage. Sein Preis wird mit DM 29,95 (darin ist die Mehrwertsteuer enthalten) angegeben. Die Rückenbandage, hinsichtlich derer die Klägerin die verbindliche Zolltarif-auskunft begehrt, kostet nach ihren Angaben (Finanzgerichtsakte Blatt 3) DM 117,30 netto (ohne Mehrwertsteuer).

Im Einspruchsverfahren macht die Klägerin geltend, es handele sich bei der Rückenbandage um eine orthopädische Vorrichtung, die folgende therapeutische Wirkmechanismen gewährleiste:

- Stütz- bzw. Stabilisierungseffekt

- Wärmeeffekt

- Kompressionseffekt

- Stabilisierungseffekt durch Aktivierung der körpereigenen Stützfunktion (sogenannte propriozeptive Reizung)

- Massageeffekt (durch äußeren Kompressionsdruck)

- dynamische Stabilisierung der Gelenke sowie Reduzierung von mechanischen Belastungen durch integrierte Kraftgurte.

Sie habe daher für diese Rückenban...

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