Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhrabgaben bei kurzem Aufenthalt im öffentlichen Bereich eines Flughafens im Zollgebiet der Union
Leitsatz (redaktionell)
- Der Arbeitnehmer, der mit der für den Arbeitgeber transportierte Ware den grünen Ausgang durchschreitet, schuldet sowohl die Zollschuld als auch die Einfuhrumsatzsteuer.
- Bei einer Durchreise aus einem Drittgebiet über das Zollgebiet der Union in ein Drittgebiet entsteht mit Durchschreiten eines grünen Ausgangs im Zollgebiet (hier zwecks Frühstücks mit einem Verwandten des Arbeitnehmers) die Einfuhrzollschuld.
- Die gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer, wenn das Verbringen in den Wirtschaftskreislauf der Union nicht widerlegt wird; bei einer Sicherstellung der Ware kann die indizierte Einfuhr nur bei einer (hier verneinten) Sicherstellung zur Vernichtung widerlegt werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; UZK Art. 45 Abs. 2-3, Art. 79 Abs. 1, 3; UStG § 21 Abs. 2
Streitjahr(e)
2021
Tatbestand
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Einfuhrabgabenbescheides, den der Antragsgegner wegen der Einfuhr von Schmuckstücken (drei Diamantringe sowie ein Paar Diamant-Ohrringe) erließ.
Die Antragstellerin wurde in B (Zentralasien) geboren und hat dort mit einer kurzen Unterbrechung von ca. zweieinhalb Jahren, während der sie in Deutschland wohnte und die deutsche Staatsangehörigkeit annahm, gelebt und auch derzeit ihren Lebensmittelpunkt.
Im Dezember 2019 trat die Antragstellerin ihre Stelle als Marketingmanagerin für Schmuck bei der A (im Folgenden: Arbeitgeber) in B (Zentralasien) an. Der Arbeitgeber ist tätig in den Segmenten qualitativ besonders hochwertiger Schmuck- und Uhrenartikel. Dabei betätigt sich der Arbeitgeber als Repräsentant und exklusiver (Eigen-) Händler weltbekannter Schmuck- und Uhrenhäuser sowie Hersteller von hochwertigen Einrichtungsgegenständen auf dem B Markt: C,D,E,F (von dem die streitgegenständliche Ware hergestellt wurde, im Folgenden: Hersteller). Seit ihrer Anstellung war die Antragstellerin ausschließlich mit Marketingaufgaben betraut und nicht etwa im Bereich „Sales“ tätig; die Abwicklung von Zollformalitäten gehörte weder bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber noch bei den vorherigen Arbeitgebern zu ihren Aufgaben.
Mit Anordnung vom 23. Juli 2021 entsandte der Arbeitgeber die Antragstellerin für den Zeitraum vom 27. Juli bis 1. August 2021, mithin für die Dauer von 6 Kalendertagen, nach M in die Schweiz. Zu diesem Zweck wurden folgende Business Class Flug-Tickets (Bl. 74 d. Heft 1 des Antragsgegners) für die Antragstellerin gekauft: Hinflug am 27. Juli 2021 von B nach Frankfurt, Weiterflug von Frankfurt nach M am 27. Juli 2021; Rückflug am 31. Juli 2021 von M nach Frankfurt; Weiterflug am 31. Juli 2021 nach B.
Grund für die Entsendung der Antragstellerin war, dass diese zum einen für einen B Kunden des Arbeitgebers die drei streitgegenständlichen, vom Hersteller gefertigten und an den Arbeitgeber am 23. Juli 2021 verkauften Diamantringe abholen und nach B transportieren, sowie zum anderen auf dem Hinweg die streitgegenständlichen Diamant-Ohrringe nach M bringen und wieder nach B transportieren sollte. Die Diamant-Ohrringe waren dem Arbeitgeber vom Hersteller Ende Februar 2021 als Ausstellungsstücke zur vorübergehenden Verwendung zur Verfügung gestellt worden. Da der B Kunde des Arbeitgebers die Diamant-Ohrringe kaufen wollte und diese sich beim Arbeitgeber lediglich als Ausstellungsstücke befanden, mussten sie – so das angabegemäße Verständnis des Arbeitgebers – nach den Zollbestimmungen B (Zentralasien) zurück nach M verbracht, freigemacht und wieder ausgeführt werden und dabei zunächst von B ausgeführt und wieder eingeführt werden, dieses Mal als verfügbare Verkaufsware für den Endkunden. Der der Antragstellerin bis heute unbekannte Kunde wünschte die Ware kurzfristig zu erhalten, weshalb der Arbeitgeber dieses Vorgehen als die einzige Möglichkeit erkannte, die Schmuckstücke schnellstmöglich und rechtzeitig im Sinne der Zeitvorgabe des Kunden nach B zum Zwecke des Weiterverkaufs an den B Kunden zu transportieren. Ein Werttransport unter Einschaltung eines Werttransporteurs wie z.B. der Fa. X hätte deutlich länger gedauert, was hier den Verkauf an den B Endkunden bzw. dessen erwartete Abwicklung gefährdet hätte. Der Arbeitgeber wählte die Antragstellerin unter seinen Mitarbeitern aus, da diese als einzige über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügte und so dem für B Staatsangehörige seit dem 18. März 2020 bestehenden Einreisestopp in die Bundesrepublik Deutschland zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie nicht unterlag.
Die Antragstellerin reiste am 31. Juli 2021, dem ursprünglichen Reiseplan zunächst folgend, aus M, Schweiz kommend über den Flughafen Frankfurt am Main in das Zollgebiet der Union ein. Den streitgegenständlichen Schmuck trug sie dabei körpernah in ihrem Rucksack bei sich. Die Antragstellerin hatte sich jedoch entschlossen, die Umsteigezeit am Flughafen Frankfurt am Main von ca. 6 Stunden dergestalt zu nut...