Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von Kindergeld wegen Bezug von Waisenrente
Leitsatz (redaktionell)
- Ist der Bezug von Waisenrente der Kindergeldkasse bei einem in Ausbildung befindlichen Kind mitgeteilt worden, liegt keine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, wenn bei Mitteilung der Änderung der Ausbildungsart die Rentenbezüge ohne weitere Aufforderung nicht erneut mitgeteilt werden.
- Ist der Familienkasse bekannt, dass ein Kind seine Ausbildung fortsetzt; ist davon auszugehen, dass sie Kenntnis von der Fortgeltung eines bestehenden gesetzlichen Waisenrentenanspruchs hat.
- Die Gewährung von Waisenrente eines in Ausbildung befindlichen Kindes über das 18. Lebensjahr hinaus ist hinsichtlich der Kindergeldzahlung kein nachträglich eintretendes rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, da sich die Fortgeltung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, § 175 Abs. 1 Nr. 2
Streitjahr(e)
1996, 1997, 1998
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte (die Familienkasse) berechtigt war, die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin rückwirkend bis in das Jahr 1996 aufzuheben. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist die verwitwete Mutter der am …..06.1978 geborenen Tochter A. Im Jahr 1992 hat die Klägerin erstmals für ihre Tochter Kindergeld beantragt, dass ihr auch rückwirkend bis 1988 bewilligt worden ist. Bereits in ihrem ersten Antrag hat sie darauf hingewiesen, dass A eine Halbwaisenrente bezieht. In den Folgejahren hat die Klägerin auf entsprechende Anforderungen jeweils Kopien der Rentenbescheide für ihre Witwenrente sowie für eine Halbwaisenrente und eine Rente der Berufsgenossenschaft, die beide an ihre Tochter gezahlt worden sind, vorgelegt. Auf Blatt 18, 40, 42 ff, 47, 50 und 52 der Kindergeldakte (KiG-A) wird Bezug genommen. Außerdem hatte die Klägerin der damals zuständigen Kindergeldkasse mitgeteilt, dass ihre Tochter voraussichtlich bis Juni 1998 eine allgemeinbildende Schule besuchen werde. Als Anlage zu einem für das Jahr 1995 von der Familienkasse zugesandten Fragebogen, den die Klägerin am 17.03.1996 beantwortet hat, hat sie erneut Kopien ihrer Rentennachweise und der Nachweise für ihre Tochter beigefügt (Blatt 61 - 64 KiG-A). Daraufhin ist ihr das Kindergeld für A in den Jahren 1996 bis 1998 weiter ausgezahlt worden.
Mit Schreiben vom 18.06.1998 hat die Klägerin der Familienkasse unter Beifü-gung einer Ausbildungsbescheinigung mitgeteilt, dass A in der Zeit vom 01.08.1998 bis 31.07.2000 eine Ausbildung zur Bankkauffrau machen werde. Am 26.08.1998 legte sie die angeforderte Ausbildungsbescheinigung vollständig ausgefüllt vor (Blatt 72 KiG-A) und eine weitere Ausbildungsbescheinigung am 23.11.1998 (Blatt 74 KiG-A). Daraufhin teilte die Familienkasse der Kläge-rin mit Schreiben vom 16.12.1998 mit, dass die Zahlung von Kindergeld wegen der hohen Ausbildungseinkünfte der Tochter ab Januar 1999 aufgehoben werde. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Tochter hat ihre Ausbildung, wie vorgesehen, Ende Juni 2000 beendet. Mit Schreiben vom 22.06.2000 hat die Klägerin erneut Kindergeld beantragt mit der Begründung, dass ihre Tochter im Herbst 2000 ein Studium aufnehmen und bis dahin keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben werde. In diesem Schreiben hat sie auch darauf hingewiesen, dass A Rentenbezüge von verschiedenen Versicherungsträgern erhalte. Den daraufhin von der Familienkasse angeforderten Unterlagen fügte die Klägerin neben der Lohnsteuerkarte ihrer Tochter für das Jahr 2000 auch die Leistungsnachweise der Rentenversicherungsträger in Kopien bei. Mit Verfügung vom 21.07.2000 lehnte die Familienkasse die Zahlung von Kindergeld für das laufende Jahr ab. Auch dieser Bescheid wurde (eingeschränkt) bestandskräftig. Mit Schreiben vom 27.12.2000 machte die Klägerin für das Jahr 2000 ausbildungsbedingten Mehrbedarf ihrer Tochter geltend und stellte damit erneut einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld „ab 01.09.2000 und für die Zukunft.” Diesen Antrag, dem wiederum alle erforderlichen Unterlagen beigefügt waren, lehnte die Familienkasse mit Verfügung vom 10.01.2001 ab.
Mit Schreiben vom 11.01.2001 forderte die Familienkasse die Versicherungs-träger zur Mitteilung auf, seit wann für A eine Halbwaisenrente gezahlt werde und begründete die Anfrage wie folgt: „Diese Angaben sind notwendig, da der Bezug der Halbwaisenrente erst jetzt bekannt wurde, und diese Bezüge bei der Einkommensberechnung des Kindes nicht zugrundegelegt wurden. Nach Auswertung der Antworten hat die Familienkasse der Klägerin angekündigt, dass sie das Kindergeld für den Zeitraum Juli 1996 bis Dezember 1998 in Höhe von 6.480,-- DM möglicherweise zurückfordern werde, weil in diesem Zeitraum die Einkünfte/Bezüge ihrer Tochter über der Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gelegen hätten. In ihrer Stellungnahme hat die Klägerin vorgetragen, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass eine Halbwaisenrente zu d...