Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederzulassung zum Steuerberater in der Wohlverhaltensphase eines Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
- § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG gewährt trotz seines Wortlautes einen Rechtsanspruch auf die Bestellung zum Steuerberater, ohne dass ein Ermessen der Behörde besteht.
- Während der Wohlverhaltensphase eines Insolvenzverfahrens kann ein Antrag auf Wiederzulassung zum Steuerberater grundsätzlich nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es seien geordnete Vermögensverhältnisse noch nicht wiederhergestellt.
- Etwas anderes gilt, wenn es sich bei einem Großteil der zur Tabelle angemeldeten Forderungen um solche aus unerlaubter Handlung handelt, die bei entsprechender gerichtlicher Feststellung auf Antrag der Gläubiger an der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO nicht teilnehmen.
- Die rein theoretische Möglichkeit der Gläubiger entsprechende Feststellungsklagen zu erheben, reicht dazu nach Ablauf eines längeren Zeitraumes nicht aus.
Normenkette
StBerG § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 2, § 48 Abs. 2, § 40 Abs. 2
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Die Klägerin erstrebt mit ihrer vorliegenden Klage ihre Wiederbestellung als Steuerberaterin.
Mit Schreiben vom 14.09.2004, bei der beklagten Steuerberaterkammer am 20.09.2004 eingegangen, verzichtete die Klägerin auf ihre Bestellung als Steuerberaterin. Als Grund gab sie an, dass sie sich seit dem 26.11.2003 in Untersuchungshaft befinde und nicht absehbar sei, wann sie ihren Beruf wieder ausüben könne.
Hintergrund war ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen des Verdachts der Untreue. Mit Urteil des Landgerichts W. vom 15.12.2004 wurde die Klägerin wegen Untreue in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Verurteilung lagen Untreuehandlungen der Klägerin zum Nachteil von Fondsanlegern zu Grunde. Das Strafgericht wertete das Verhalten als (fremdnützige) Untreue. Aufgrund des Geständnisses der Klägerin einerseits, aber andererseits aufgrund des hohen entstandenen Schadens in Höhe von rund 3,6 Mio. DM verurteilte das Strafgericht die Klägerin zu der oben genannten Gesamtfreiheitsstrafe.
Am 07.10.2008 stellt die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Wiederbestellung als Steuerberaterin.
Mit Bescheid vom 16.02.2009 lehnte die Beklagte die beantragte Wiederbestellung gemäß §§ 48 Abs. 1 Nr. 1, 48 Abs. 2, 40 Abs. 2 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz – StBerG – ab. Nach Auffassung der Beklagten liegen bei der Klägerin keine geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Ausweislich des Schlussberichts des Insolvenzverwalters seien im Insolvenzverfahren Forderung in Höhe von 2.983.037,55 € festgestellt worden. Eine verteilungsfähige Masse sei in Höhe von 54.633,19 € vorhanden. Trotz Widerspruchs der Klägerin gegen einen Großteil der festgestellten Forderungen sei es den Gläubigern möglich, bis zum Ablauf der sogenannten Wohlverhaltensphase Klage zu erheben. Dies sei immer noch möglich. Zu geordneten Vermögensverhältnissen gehöre es, dass die Gläubiger in absehbarer Zeit tatsächlich befriedigt werden. Hiervon könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Im Übrigen könne die Klägerin über ihr Vermögen nicht frei verfügen. Die bloße Möglichkeit, die schlechte wirtschaftliche Situation im Rahmen eines Restschuldbefreiungsverfahrens zu bereinigen, habe noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegend trotz der unbeglichenen Forderungen als geordnet zu betrachten wären. Frühestens nach Ablauf der sog. Wohlverhaltensphase am 16.03.2011 könne von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen werden.
Unabhängig hiervon sei der Antrag auf Wiederbestellung abzulehnen, da die Klägerin auf ihre Bestellung als Steuerberaterin nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens verzichtet habe und im Rahmen dieses berufsgerichtlichen Verfahrens eine Ausschließung aus dem Beruf zu erwarten gewesen sei. Nicht maßgeblich sei die innere Motivation für den Verzicht auf die Bestellung. § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG stelle ausschließlich auf den äußeren Umstand, d.h. Verzicht auf die Bestellung nach Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens, bei dem eine Ausschließung aus den Beruf zu erwarten sei, ab. Das gegen die Klägerin im Juni 2004 bei dem Landgericht F. eingeleitete berufsgerichtliche Ermittlungsverfahren sei aufgrund des Verzichts der Klägerin vom 20.09.2004 eingestellt worden. Unter Zugrundelegung der Angaben aus dem Urteil des Landgerichts W. vom 15.12.2004, dessen Gründe die Steuerberaterkammer als bindend ansehe, sei davon auszugehen, dass die Klägerin aus dem Beruf ausgeschlossen worden wäre, wenn sie nicht auf ihre Bestellung verzichtet hätte. Die Feststellungen des Urteils des Landgerichts W. ließen mit Blick auf den ganz erheblichen Untreueschaden keine andere Wertung zu. Entsprechend könne eine Wiederbestellung nicht vor Ablauf von acht Jahren seit dem Verzicht auf die Bestellung erfolgen. Eine Wiederbestellung komme daher frühestens ab dem 20.09.2012 in B...