rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verletzung der Chancengleichheit bei Änderung des Aufgabentextes während der Steuerberaterprüfung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Verletzung der Chancengleichheit bei der Ablegung der Prüfung kann sich nur dann vorliegen, wenn innerhalb eines Bundeslandes keine einheitlichen Prüfungsbedingungen bestanden haben.
- Bei Abänderung einer Jahreszahl im Aufgabentext, die zum Wegfall eines Problems führt, ist das Gebot der Chancengleichheit nicht deshalb verletzt, weil andere Prüflinge, die mit einem anderen Aufgabenteil begonnen hätten, insoweit einen Wettbewerbsvorteil gehabt haben.
- Die Rüge, dass andere Prüflinge einen Wettbewerbsvorteil gehabt hätten, ist im Prüfungsrecht nicht möglich, da es kein subjektiv öffentliches Recht des einzelnen Prüflings auf Beachtung des Grundsatzes der Chancengleichheit als objektiv-rechtliches Gebot gibt
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; DVStB § 25 Abs. 1
Streitjahr(e)
1998
Tatbestand
Der Kläger nahm an der Steuerberaterprüfung 1998 teil. Im schriftlichen Teil erzielte er folgende Ergebnisse:
Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete: |
Note 5 |
Ertragssteuern: |
Note 4 |
Buchführung und Bilanzwesen: |
Note 5 |
Gesamtnote (§ 25 Abs. 1 DVStB): |
Note 4,66 |
Mit Bescheid vom 08.01.1999 wurde dem Kläger mitgeteilt, daß er die Prüfung nicht bestanden habe und aufgrund der erzielten Gesamtnote eine Teilnahme an der mündlichen Prüfung entfalle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger rügt, daß der Ablauf bei der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Durch das Auswechseln einer Jahreszahl im Aufgabentext im Laufe der Bearbeitungszeit sei er nicht nur in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt worden, sondern dies hätte viel “Zeit und besonders Nerven gekostet”, was sich nachteilig auf die gesamte Prüfungsleistung ausgewirkt habe. Dies sei insbesondere deshalb der Fall gewesen, da er sofort gemerkt habe, daß andere Prüflinge, die mit einem anderen Aufgabenteil begonnen hätten und sich daher eine entsprechende Doppelarbeit ersparen konnten, einen Wettbewerbsvorteil gehabt hätten. Dies habe zu einer Verärgerung bei ihm geführt.
Die fachspezifische Bewertung der Aufsichtsarbeit als solche wird vom Kläger nicht gerügt.
Wegen Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf dessen Schriftsätze vom 22.01., 20.03., 12.05.1999, 04.10.2000 sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 30.05. und 13.12.2000 Bezug genommen.
Der Auswechslung der Jahreszahl im Aufgabentext liegt folgendes zugrunde:
Fall 1 der Aufsichtsarbeit Buchführung und Bilanzwesen behandelt bilanzsteuerrechtliche Probleme im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer OHG. Unter anderem waren insoweit Probleme hinsichtlich einer Rücklage gemäß § 6 b EStG zu erörtern. Der Aufgabentext geht von einem Ausscheiden des Gesellschafters nach Ablauf des Wirtschaftsjahres 1996 (= Kalenderjahr) aus. Hinsichtlich der Rücklage bestimmte die ursprüngliche Fassung des Aufgabentextes folgendes:
“Die Rücklage gemäß § 6 b war im Zusammenhang mit der Veräußerung eines unbebauten Grundstücks (Veräußerungszeitpunkt 1. Januar 1992), das die OHG im Jahre 1986 angeschafft hatte, im März 1996 gebildet worden.
Im Laufe der Bearbeitungszeit fiel einem Prüfling (an einem anderem Prüfungsort) gegen 09.30 Uhr auf, daß diese Jahreszahlen ungereimt seien, da die Rücklage im Jahre der Veräußerung - und nicht 4 Jahre später - zu bilden und grundsätzlich nach 4 Jahren aufzulösen sei. Daraufhin wurde landeseinheitlich der Aufgabentext durch die Prüfungsbehörde dahingehend geändert, daß die Rücklage 1992 gebildet worden sei. Diese Änderung wurde den Prüflingen an den jeweiligen Prüfungsorten durch die aufsichtsführenden Personen mitgeteilt und eine – landeseinheitliche - Verlängerung der Bearbeitungszeit von 30 Minuten gewährt. Im Sitzungsprotokoll zur vorliegend streitgegenständlichen Prüfung ist vermerkt, daß die Aufsichtsarbeit von 10.37-10.44 Uhr wegen der Änderung des Aufgabentextes unterbrochen wurde.
Der Kläger rügt diesen Ablauf - wie oben dargestellt - als verfahrensfehlerhaft und als Verletzung der Chancengleichheit.
Der Kläger beantragt,
die beklagte Behörde unter Aufhebung des negativen Prüfungsergebnisses zu verpflichten, ihm das erneute Schreiben der Aufgabe aus dem Gebiet der Buchführung und des Bilanzwesens zu gestatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dieser vertritt die Auffassung, daß es dem Kläger nachträglich verwehrt sei, sich auf die Unterbrechung als Störung mit der Folge einer Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit zu berufen. Der Kläger habe dies nicht zu Protokoll gemäß § 20 Abs. 4 DVStB mitgeteilt und sich somit auf die neue Prüfungssituation eingelassen. Im übrigen sei auch die Berichtigung des Aufgabenteils nicht kausal für das Nichtbestehen der Prüfung gewesen. Der Kläger habe in dem hier relevanten ersten Prüfungsabschnitt lediglich 9 von maximal 30 Leistungspunkten erhalten.
Wegen Einzelheiten wird in...