rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kontogutschrift als Zuflusszeitpunkt
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Zahlung per Banküberweisung erlangt der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Bankkonto.
- Mit der Wertstellung wird allein der Zeitpunkt festgelegt, von dem ab ein gutgeschriebener Betrag von einer für das Girokonto getroffenen Zinsabrede erfasst wird.
Normenkette
EStG §§ 11, 4 Abs. 3
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute.
Der Kläger erzielt als Finanzberater Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Darüber hinaus erzielt er aus einer Verwaltungsratstätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Für beide Einkunftsarten ermittelt der Kläger den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben.
Am 30.12.1993 wurden dem Kläger DM 35.571,56 und DM 34.444,86 auf seinem Girokonto bei der XX-bank gutgeschrieben. Die Wertstellung erfolgte zum 3.01.1994 bzw. 4.1.1994. Den Gutschriften lagen zwei Überweisungsaufträge aus den USA zugrunde.
Der Kläger erfasste die Zahlungen bei seiner Gewinnermittlung für das Kalenderjahr 1993. Dem folgte das beklagte Finanzamt im Anschluss an eine Außenprüfung nicht und ordnete die Zahlungsvorgänge dem Kalenderjahr 1994 zu. Dies führte aufgrund der Progressionswirkung zu einer steuerlichen Mehrbelastung für die Kläger.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe bereits mit der Gutschrift am 30.12.1993 die volle rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt, so dass die Einnahmen dem Jahr 1993 zuzuordnen seien.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1994 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf DM 41.323,00 festgesetzt wird.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Auffassung, bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise seien Einnahmen erst dann zugeflossen, wenn der Empfänger darüber verfügen könne ohne seiner Bank gegenüber zur Zahlung von Zinsen verpflichtet zu sein.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die auf dem Konto des Klägers bei der XX-bank am 30.12.1993 gutgeschriebenen Beträge sind nicht im Streitjahr, sondern bereits in 1993 der Einkommensteuer zu unterwerfen.
Bei der von dem Kläger vorgenommen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind Betriebseinnahmen im Zeitpunkt des Zuflusses (§ 11 EStG) zu erfassen. Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteile vom 30. Januar 1975 IV R 190/71, BFHE 115, 559, BStBl II 1975, 776, und vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, BFHE 145, 538, BStBl II 1986, 342).
Bei einer Zahlung per Banküberweisung erlangt der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Bankkonto. Bis dahin befindet sich die Überweisung in einem Schwebezustand. Der Zahlende kann den Überweisungsauftrag grundsätzlich widerrufen. Der Widerruf ist eine (Gegen-) Weisung, die der Beauftragte gemäß § 665 BGB beachten muss. Er beinhaltet die Weisung an den Beauftragten, den Auftrag nicht durchzuführen. Er ist deshalb nur solange möglich, als der Auftrag noch nicht endgültig ausgeführt worden ist. Der einer Bank erteilte Überweisungsauftrag ist mit der Gutschrift der Empfangsbank auf dem Konto des Empfängers vollzogen. Dabei ist die Gutschrift auf dem Empfängerkonto in dem Moment wirksam entstanden, in dem die Daten zur vorbehaltslosen Bekanntgabe an den Überweisungsempfänger zur Verfügung gestellt werden (Urteil des Bundesgerichtshofes –BGH- vom 25. Januar 1988 II ZR 320/87, BGHZ 103, 143).
Der Kläger hat mithin mit der Gutschrift am 30.12.1993 eine Rechtsposition erlangt, die ihm nicht mehr streitig gemacht werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt hat er die wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Überweisungsbetrag erlangt.
Wenn aber die wirtschaftliche Verfügungsmacht in dem Moment erlangt wird, in dem der Überweisungsauftrag nicht mehr widerrufen werden kann, ist eine nachfolgende Wertstellung unbeachtlich. Diese ist für die Wirksamkeit der Gutschrift ohne Bedeutung. Mit ihr wird allein der Zeitpunkt festgelegt, von dem ab ein gutgeschriebener Betrag von einer für das Girokonto getroffenen Zinsabrede erfasst wird. Hierauf beschränkt sich ihre rechtliche Bedeutung. Sie hat mit der Dispositionsbefugnis des Kontoinhabers nichts zu tun (vgl. Häuser in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 5 Recht des Zahlungsverkehrs, Anm. B 232). Deshalb kann entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (Dürr in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 11 RdNr. 158) auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kontoinhaber nur im Rahmen eines ihm von der kontoführenden Bank eingeräumten Kredites über den Überweisungsbetrag verfügen kann. Mit der Gutschrift hat der Kontoinhaber ein eigenständiges Verfügungsrecht erlangt, das lediglich noch von einer Zinsabrede zum Girovertrag erfass...