Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Steuerhinterziehung als Voraussetzung für verlängerte Festsetzungsverjährungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Anwendung der verlängerten Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO müssen die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung durch die Finanzbehörden nachgewiesen werden.
2. Das Finanzamt kann sich nicht darauf beschränken, Widersprüche in den Angaben des Steuerpflichtigen aufzuzählen und die Annahme der Steuerhinterziehung allein auf eine mangelnde Mitwirkung des Steuerpflichtigen stützen.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 370 Abs. 1, § 90
Streitjahr(e)
1989, 1990, 1991, 1992
Tatbestand
Die Klägerin ist Rentnerin, seit dem Tode ihres Ehemannes am 15.8.1987 verwitwet und bezieht im wesentlichen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sie streitet mit dem Beklagten (das Finanzamt -FA-) darüber, ob dieser befugt war, mit den geänderten Einkommensteuer(ESt)bescheiden vom 26.1.2000 die bestandskräftigen ESt-Bescheide für die Streitjahre 1989 bis 1992 zu ändern und dabei steuererhöhend geschätzte Einkünfte aus Kapitalvermögen anzusetzen. Dabei ist im besonderen streitig, ob das FA bei Erlass der streitbefangenen ESt-Änderungsbescheide die verlängerte Festsetzungsverjährungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung (AO) wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung anwenden durfte. Gleichermaßen besteht Streit wegen der geänderten Festsetzung der Vermögensteuer auf den 1.1.1989 durch den Änderungsbescheid vom 26.1.2000. Im einzelnen liegt dem Rechtsstreit der folgende Sachverhalt zugrunde:
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 5.1.1999 zeigte die Klägerin dem FA an, sie habe im Kalenderjahr 1992 mit zwei Überweisungen im November und Dezember dieses Jahres insgesamt X00.000,-- DM bei der ABC Bank in Luxemburg angelegt. Diese Beträge seien in ihren Vermögensteuererklärungen nicht angegeben. Außerdem seien die aus dieser Geldanlage angefallenen Zinsen für die Kalenderjahre 1992 bis 1997 nicht erklärt worden. Daraufhin wurde hinsichtlich der ESt für die Kalenderjahre 1992 bis 1997 und hinsichtlich der Vermögensteuer für die Veranlagungszeitpunkte 1993 bis 1996 ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Nachdem der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 23.2.1999 die bisher nicht angegebenen Zinserträge für die Kalenderjahre 1992 bis 1997 sowie die Depotbestände jeweils auf den 31.12. der Jahre 1992 bis 1997 nacherklärt hatte, wurde die Klägerin vom FA aufgefordert, für den als nicht strafbefangen angesehenen Zeitraum 1989 bis 1992 ihre bisherigen Erklärungen zu überprüfen und gegebenenfalls auch insoweit Kapitaleinkünfte nachzuerklären. Auch solle sie die Herkunft des in 1992 in Luxemburg angelegten Kapitals nachweisen. Der Prozessbevollmächtigte teilte darauf dem FA mit Schreiben vom 27.10.1999 mit, das in 1992 bei der ABC-Bank in Luxemburg angelegte Kapital stamme in Höhe von X0.000,-- DM aus Pfandbriefen und in Höhe von Y0.000,-- DM aus festverzinslichen Wertpapieren, die sie von ihrem Ehemann geerbt habe. Außerdem habe sie X.000,-- DM aus ihrem Privatvermögen in Luxemburg angelegt. Das FA stellt daraufhin auf der Grundlage des vorliegenden Aktenbestandes Schlüssigkeitsüberlegungen dahingehend an, ob die in 1992 in Luxemburg angelegten Kapitalbeträge und die daraus erzielbaren Kapitaleinkünfte in den Vorjahreserklärungen für 1989 bis 1991 enthalten gewesen sein könnten, ohne letztlich Gewissheit hierüber erlangen zu können. Auf die entsprechenden im Sonderband „Bankenverfahren” enthaltenen Aktenvermerke wird Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 10.11.1999 teilte das FA dem Prozessbevollmächtigten daraufhin mit, es beabsichtige, zusätzlich zu den für die Jahre 1992 bis 1997 nacherklärten Kapitaleinkünften Zuschätzungen in Höhe von jeweils X.000,-- DM (6,5 % aus X00.000,-- DM) für die Kalenderjahre 1989 bis 1992 vorzunehmen. Für 1992 hatte die Klägerin mit ihrer Selbstanzeige Kapitaleinkünfte von XY,00 DM für die Zeit ab der Anlage des Kapitals in Luxemburg nacherklärt. Die Zuschätzung des FA für 1992 betrug insgesamt X.000,-- DM (einschließlich der nacherklärten XY,00 DM) und umfasste damit auch die Zeit vor der Geldanlage in Luxemburg Auf die Ankündigung des FA reagierte die Klägerin nicht.
Mit den Bescheiden vom 26.1.2000 erhöhte das FA die ESt für die Kalenderjahre 1989 bis 1992 unter Berufung auf die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wie folgt:
für 1989 |
von |
----,-- DM |
auf |
----,-- DM, |
für 1990 |
von |
----,-- DM |
auf |
----,-- DM, |
für 1991 |
von |
----,-- DM |
auf |
----,-- DM, |
für 1992 |
von |
----,-- DM |
auf |
----,-- DM. |
Den Vermögensteuerbescheid auf den 1.1.1989 änderte das FA von ----,-- DM auf ----,-- DM.
Die übrigen Änderungsbescheide für den von der Selbstanzeige umfassten Zeitraum ab 1993 sind nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens und daher hier nicht von Belang.
Mit Schreiben vom 28.2.2000 legte der Prozessbevollmächtigte rechtzeitig Einspruch gegen die geänderten ESt-Bescheide für 1989 bis 1992 und gegen den geänderte...