Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit der Restitutionsklage und zur Entscheidung bei rechtswegfremden Hilfsantrag
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einem rechtswegfremden Hilfsantrag kann das Gericht die Abweisung des Hauptantrags durch Teilurteil sowohl mit der Abtrennung des rechtswegfremden Hilfsantrags und als auch – in Form des Endurteils über die Kosten – mit der Kostenentscheidung für das durch Teilurteil entschiedene und nach Abtrennung des rechtswegfremden Hilfsantrag verbleibende Verfahren in einem zusammengefassten Teil- und Endurteil verbinden.
- Urteile des BFH in anderen Rechtssachen sind keine Urkunden im Sinne von § 580 Nr. 7 Buchstabe b ZPO. Dies gilt erst recht für BFH-Urteile, die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in dem Verfahren, das wiederaufgenommen werden soll (Ausgangsverfahren), ergehen.
- Wird ein Ermittlungsverfahren gegen einen im Ausgangsverfahren mitwirkenden Richter nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, liegen die Voraussetzungen des § 581 ZPO (rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat oder Unmöglichkeit der Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis) für eine Wiederaufnahme des Ausgangsverfahrens nach § 580 Nr. 5 ZPO nicht vor.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1, § 44 Abs. 1, §§ 45-46, 73 Abs. 1 S. 2, §§ 98, 134; ZPO §§ 580, 581 Abs. 1; GG Art. 34 Abs. 3 S. 3; GVG § 17 Abs. 2
Streitjahr(e)
2010
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahrens zum Aktenzeichen 10 K 2548/14 sowie --hilfsweise-- die Verpflichtung des Beklagten (das Finanzamt --FA--) zu einer abweichenden Feststellung im Billigkeitswege und macht --wiederum hilfsweise-- Amtshaftungsansprüche gegen das FA geltend.
Mit Urteil des erkennenden Senats vom 15.05.2019 (10 K 2548/14) wurde die --ursprüngliche-- Klage des Klägers abgewiesen, mit der dieser sich gegen die Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer für 2010 (Bescheid vom 28.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.12.2013) gewendet hatte. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg
(Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.09.2020 – VIII B 102/19).
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29.12.2022 hat der Kläger daraufhin Restitutionsklage erhoben.
Zur Begründung führt der Kläger --nach ausführlicher Darstellung und Würdigung des Sachverhalts und des anschließenden Verlaufs von Veranlagungs- und finanzgerichtlichem Verfahren-- im Wesentlichen aus, die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens werde auf das Vorliegen einer neuen Urkunde gestützt, die dem Kläger in einem früheren Stadium des Verfahrens nicht zur Verfügung gestanden habe, den jetzigen Klageanspruch trage und aufzeige, dass das Urteil in dem Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt werde, der sachlichen Rechtslage nicht entspreche. Der BFH habe in seinem Beschluss vom 27.08.2021 (VIII B 126/20) eine einschlägige Entscheidung zum Verfahrensrecht getroffen. Diese betreffe mit der Ermittlungspflicht des Finanzgerichts (FG) zum Sachverhalt unter Einbeziehung des ausländischen Rechts eine Rechtsfrage, die auch im Streitfall erheblich sei. Nachfolgend sei das BFH-Urteil vom 25.06.2021 (II R 31/19) veröffentlicht worden, das zwar zeitlich nach dem Urteil in dem Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt werde, ergangen sei, aber die zuvor vorliegende und unter zwingender Anwendung des ausländischen Gesellschaftsrechts zu ermittelnde Tatsache der fehlenden Kapitalbeteiligung des Klägers an der A belege. Die Sperre des § 582 der Zivilprozessordnung (ZPO) greife hier nicht, weil der Kläger ohne Verschulden außerstande gewesen sei, die beiden genannten Entscheidungen als Restitutionsgrund in dem früheren Rechtsbehelfs- und Klageverfahren geltend zu machen, in denen der BFH nunmehr konkret die Verpflichtung aufzeige, nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch deren Anwendung in der Rechtspraxis zu ermitteln. Der Kläger halte auch die Frist nach § 586 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO ein; die vorgenannten BFH-Entscheidungen seien ihm erst bei der Vorbereitung der Restitutionsklage während der Weihnachtsfeiertage im Jahr 2022 in die Hände gefallen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens sei hier umso eher geboten, als dass das FG den Vortrag des Klägers mittels des vorgelegten Gutachtens des B nicht gewürdigt habe. Die neuen BFH-Entscheidungen lieferten den Restitutionsgrund, weil sie in Verbindung mit den im Verfahren vor dem FG vorgelegten Beweismitteln zwingend zu einer günstigeren Entscheidung für den Kläger führen müssten.
Der (nunmehr zweite) Hilfsantrag ergebe sich aus der Erwägung, dass das FG-Urteil, dessen Wideraufnahme begehrt werde, bei Nichtzulassung oder Nichtstattgabe der Restitutionsklage ein krasses Fehlurteil bleibe, dessen Rechtskraft nach den Maßstäben des Bundesgerichtshofs (BGH) zurücktreten ...