Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung Umsatzsteuer 1986–1992
Nachgehend
Tenor
1. Die Haftungsbescheide wegen Umsatzsteuer 1987 bis 1992 vom 10.10.1994 und wegen Umsatzsteuer 1986 vom 19.7.1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 19.7.1995 und 24.8.1995 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wird als Haftungsschuldner für Steuerschulden des Lohnsteuerhilfevereins × in Anspruch genommen. Der Zweck des Vereins bestand darin, seine Mitglieder gegen einen Jahresbeitrag in Lohnsteuerfragen zu beraten. Der Verein wurde am … mit Sitz in A., im Vereinsregister eingetragen. Der Verein betreibt weitere Beratungsstellen in B., C. und D. Vorstandsmitglieder waren zunächst als erster Vorsitzender M und als zweite Vorsitzende K. Seit dem 24.1.1986 wurde dem Kläger die Leitung der Beratungsstelle B übertragen, der am 18.12.1986 zudem zum 2. Vorsitzenden des Vereins ernannt wurde (Eintragung im Vereinsregister am 9.3.1987). Für die Führung der laufenden Geschäfte des Vereins war nach § 9 der Satzung der Vorstand verantwortlich.
Nachdem der Verein keine Steuererklärungen beim FA eingereicht hatte und das FA in der Erbringung von Beratungsleistungen gegen Mitgliedsbeiträge einen steuerbaren Leistungsaustausch sah, führte das FA eine Steuerfahndungsprüfung durch, die nach Auswertung von Bankunterlagen zu folgenden Umsätzen führte (Bericht vom 8.3.1994 Seite 6):
LSt-Hilfeverein: |
1986 |
1987 |
1988 |
1989 |
1990 |
B |
354.802 |
267.492 |
372.103 |
303.350 |
462.799 |
A |
14.516 |
19.100 |
19.842 |
19.025 |
21.345 |
C |
29.902 |
106.078 |
171.784 |
253.667 |
281.003 |
D |
- |
- |
6.339 |
9.184 |
11.645 |
Am 10.10.1994 erließ das für A zuständige Finanzamt (FA) gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid für Umsatzsteuerschulden des Vereins für die Jahre 1987–1992 in Höhe von 226.922 DM. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei im Zeitraum zwischen der Eintragung als 2. Vorsitzendem (9.3.1987) und dem Erlöschen des Vereins (25.4.1994) für die Steuerangelegenheiten des Vereins zuständig gewesen. Für die von der Beratungsstelle B erzielten Umsätze werde er in Haftung genommen, weil er für diese Beratungsstelle der verantwortliche Leiter gewesen sei. Der Kläger habe jedoch die vereinnahmten Mitgliedsbeiträge für 1986–1989 nicht oder ab 1990 nur teilweise und verspätet angemeldet. Da keine Jahreserklärungen erfolgten, habe das FA Schätzungsbescheide erlassen müssen. Als Anlage waren dem Haftungsbescheid die Umsatzsteuer Schätzungsbescheide 1987–1992 und der Steuerfahndungsbericht vom 8.3.1994 beigefügt.
Am 19.7.1995 erließ das FA einen weiteren Haftungsbescheid für Ust 1986 über 42.325 DM. Der Kläger sei auch für Umsatzsteuerschulden des Vereins aus 1986 verantwortlich, weil er ab 24.1.1984 verantwortlicher Leiter der Beratungsstelle B gewesen und zudem ab 18.12.1986 zum 2. Vorsitzenden bestellt worden sei.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, das FA habe das rechtliche Gehör verletzt. Weder Steuerfahndung noch die Straf- und Bußgeldstelle hätten ihn angehört. Die beantragte Akteneinsicht habe das FA ausdrücklich verweigert. Er beantrage daher nochmals gem. § 364 AO die Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen. Erst danach könne er substantiiert die Einsprüche begründen. Im Übrigen sei das FA für den Erlaß der Haftungsbescheide nicht zuständig, da die weitaus überwiegenden Umsätze des Vereins von B aus getätigt worden seien. Zudem hafte ein Leiter einer Beratungsstelle nicht für Steuerschulden des Vereins. Für die Abgabe von Steuererklärungen sei allein der 1. Vorsitzende M zuständig gewesen.
Daraufhin erließ das FA am 24.8.1995 und am 30.8.1995 ablehnende Einspruchsentscheidungen. Das FA habe für 1987 bis 1989 Schätzungsbescheide erlassen müssen, weil die Mitgliedsbeiträge nicht oder nur teilweise und verspätet erklärt und die Steuern nur zum geringen Teil beglichen wurden, obwohl laut Voranmeldungen ausreichend Mittel vorhanden gewesen seien. Für 1986 habe man sich an den Zahlen für 1987 orientiert, die Vorsteuern aus Fremdleistungen jedoch mangels Rechnungen nicht anerkannt. Bei den Mitgliedsbeiträgen handele es sich um steuerpflichtige Umsätze. Wegen fehlender Unterlagen seien die Umsätze der Höhe anhand von Bankauskünften mit einem Zuschlag von 10 % für Bareinnahmen geschätzt worden. Das beklagte FA sei zuständig gewesen, weil sich dort der Sitz des Vereins befunden habe. § 364 AO sei nicht verletzt, weil dem Kläger kein Akteneinsichtsrecht zustehe. Er habe sich zum Haftungsbescheid und zum Fahndungsbericht äußern können. Dies sei ausreichend. Der Kläger sei für die Abgabe der Steuererklärungen des Vereins verantwortlich gewesen, weil er die Ber...