rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Verjährungsfrist wegen Einlegung eines Rechtsbehelfs bei mehreren Zollschuldnern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Weist eine Personengesellschaft einen bei ihr angestellten Mitarbeiter an, die Beförderung von in einem Verwaltungslager befindlichen (Nichtgemeinschafts-) Waren durchzuführen, stellt dies in dem Fall, dass die Waren ohne Überführung in ein Zollverfahren von den Verwahrungsort entfernt werden, nicht lediglich eine Förderung dieses Entfernens, sondern einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entziehungshandlung dar. Demzufolge wird die Personengesellschaft Zollschuldnerin nach Art. 203 Abs. 3, 1. Anstrich Zollkodex .
  2. Ist bei mehreren Zollschuldnern (Art. 213 Zollkodex) in Bezug auf einen der Gesamtschuldner die Verjährungsfrist wegen Einlegung eines Rechtsbehelfs ausgesetzt und in Bezug auf die übrigen Zollschuldner Gesamtschuldnerverjährung eingetreten, besteht kein Auswahlermessen der Zollbehörde mehr.
  3. Die Aussetzung der Verjährungsfrist wegen Einlegung eines Rechtsbehelfs endet in Deutschland nicht bereits mit dem Abschluss des Einspruchsverfahrens, sondern erst mit dem Ablauf der Klagefrist bzw., falls Klage erhoben wird, mit dem rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens.
 

Normenkette

ZK Art. 221 Abs. 3 S. 2, Art. 203 Abs. 3; 1. Anstrich; ZK Art. 213

 

Streitjahr(e)

2012

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Einfuhrabgabenbescheids, den der Beklagte im Anschluss an das Klageverfahren 7 K 3149/08 erließ, in dem das Finanzgericht einen wegen der Beförderung von Nichtgemeinschaftswaren ohne Eröffnung eines externen Versandverfahrens gegen die Klägerin erlassenen Steuerbescheid über 434,48 EUR Zoll und 2.744,99 EUR Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) aufgehoben hatte.

Wegen des Weiteren, dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts (HFG) vom 05.11.2012 zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand in diesem Urteil verwiesen. Das beiden Beteiligten am 26.11.2012 zugestellte Urteil wurde im Laufe des Januar 2013 rechtskräftig.

Noch zuvor, nämlich am 17.12.2012, erließ der Beklagte einen erneuten Einfuhrabgabenbescheid gegen die Klägerin, mit dem die o.g. Einfuhrabgaben nochmals festgesetzt wurden. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass durch die Entfernung der Nichtgemeinschaftswaren von dem Verwahrungsort im Gebäude in der Cargo City Süd des Frankfurter Flughafens gemäß Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) die Zollschuld entstanden und die Klägerin gemäß Art. 203 Abs. 3, 1. Anstrich ZK Zollschuldnerin geworden sei, weil sie ihrem Fahrer A die Weisung erteilt habe, die Waren bei der Fa. B abzuholen und nach Hahn zu befördern.

Zwar seien noch weitere Personen Zollschuldner geworden, nämlich der Fahrer der Klägerin A, die Fa. B und möglicherweise die Fa. C. Eine Inanspruchnahme dieser Personen komme aber nicht mehr in Betracht. Wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist für die am 12.08.2005 entstandene Zollschuld könnten diese Personen nicht mehr in Anspruch genommen werden. Gegenüber der Klägerin jedoch sei die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, da die Klägerin gegen den Bescheid vom 10.12.2007 Einspruch eingelegt und Klage erhoben habe. Dadurch sei die Frist gemäß Art. 221 Abs. 3 Satz 2 ZK ausgesetzt worden.

Es stehe nicht im Ermessen der Zollbehörde, von der Abgabenfestsetzung gegen einen Schuldner abzusehen, weil es vor Ablauf der Festsetzungsfrist versäumt wurde, einen anderen Schuldner in Anspruch zu nehmen. Vielmehr habe die Zollbehörde den Abgabenbetrag buchmäßig zu erfassen und dem Schuldner mitzuteilen.

Das ursprüngliche Auswahlermessen sei auch nicht dahingehend eingeschränkt gewesen, dass nur die anderen Gesamtschuldner oder nur einer der anderen Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen gewesen wären.

Während des Einspruchsverfahrens erklärte die Klägerin ihr Einverständnis damit, dass der Beklagte den „vorsorglich” in dem Schriftsatz zur Begründung des Einspruchs gestellten Erstattungsantrag, den der Beklagte als solchen aus Billigkeitsgründen verstand, zurückstellt. In der Einspruchsentscheidung vom 16.04.2013, mit der der Einspruch zurückgewiesen wurde, entschied der Beklagte denn auch nicht zugleich über den Erstattungsantrag.

Am 17.05.2013 erhob die Klägerin Klage. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie keinerlei direkte Handlungsmöglichkeiten bezüglich der streitbefangenen Warensendung gehabt habe. Würde man der Auffassung des Beklagten zur Definition des Täters im Sinne des Art. 203 Abs. 3, 1. Anstrich ZK folgen, wären die übrigen drei Anstriche des Art. 203 Abs. 3 nicht erforderlich, da dann alle Beteiligten immer als Täter im Sinne des Art. 203 Abs. 3, 1. Anstrich anzusehen wären. Diese weite Auslegung des Art. 203 Abs. 3, 1. Anstrich ZK stünde auch im Widerspruch zu Art. 96 Abs. 2 ZK. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seien die weiteren Personen, die die Ware nach dem ersten Abladen in Besitz hatten, nicht als Einfuhrzollschuldner im Sinne des Art. 203 Abs. 3, 1. Anstrich ZK ...

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