rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ein Kind, das sich wegen eines im außereuropäischen Ausland anhängigen Adoptionsverfahren nur kurzfristig im Inland aufhält

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Kind begründet erst dann einen Wohnsitz, wenn es ausgehend von den tatsächlichen Verhältnissen eine Wohnung unter Umständen innehat, die auf das Beibehalten und Benutzen schließen lassen.
  2. Ein im Ausland geborenes Kind, das erst später zum inländischen Wohnsitz der Eltern gebracht wird begründet nur dann ab dem Zeitpunkt der Geburt einen inländischen Wohnsitz, wenn sich die Mutter nur kurzfristig und lediglich vorübergehend zum Zeitpunkt der Geburt im Ausland aufgehalten hat und das Kind innerhalb angemessener Zeit von höchstens einem Jahr ins Inland gebracht wird.
  3. Vor Abschluss eines Adoptionsverfahrens fehlt es an einem Wohnsitz des Kindes im Inland, wenn sich dieses Verfahren über mehrere Jahre hinzieht und der Antragsteller während dieser Zeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gezwungen war das Kind vor Ablauf des jeweiligen Visums in das außereuropäische Ausland zurückzubringen.
 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 S. 3; AO §§ 8-9

 

Tatbestand

Mit der Klage macht der Kläger einen Anspruch auf Kindergeld für drei im Ausland geborene Kinder geltend. Hierbei handelt es sich um zwei eigene Kinder des Klägers sowie um ein Kind, für das kurz nach dessen Geburt der Kläger sowie seine damalige Lebenspartnerin und jetzige Ehefrau die Adoption beantragt hatten. Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung der Beklagten (der Familienkasse), es bestehe kein Anspruch auf Kindergeld, weil die Kinder während des hier fraglichen Zeitraums im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hätten. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er hatte bis zum Jahr 2008 seinen Wohnsitz in T. Bis zum Jahr 2007 war er zum ersten Mal verheiratet gewesen. Aus der Ehe waren drei Kinder hervorgegangen. Am ...04.2008 hatte der Kläger sich bei der zuständigen Meldebehörde nach Paraguay abgemeldet. Dort begründete er in der Folgezeit eine Lebenspartnerschaft mit Frau Z, einer paraguayischen Staatsangehörigen. Mit dieser führte er in … (Paraguay) einen gemeinsamen Haushalt. Am ...05.2012 haben der Kläger und Frau Z geheiratet.

Der streitige Kindergeldanspruch betrifft die folgenden Kinder: S (Geburtsname) bzw. S (Name nach Adoption, im Folgenden: S), geboren am ...09.2009 in … (Paraguay), paraguayische Staatsangehörigkeit bis zur Adoption; H (im Folgenden: H), geboren am ...01.2011 in … (Paraguay), deutsche und paraguayische Staatsangehörigkeit; J (im Folgenden: J), geboren am ...03.2012 in … (Paraguay), deutsche und paraguayische Staatsangehörigkeit.

Am 30.11.2009 stellten der Kläger und seine damalige Lebenspartnerin bei den zuständigen Behörden in Paraguay den Antrag, das Kind S zu adoptieren. Offenbar in diesem Zusammenhang erteilten die dortigen Behörden der Lebenspartnerin des Klägers das vorläufige Sorgerecht für das Kind S. Damit verbanden sie die Auflage, Auslandsaufenthalte mit dem Kind innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu beenden. So erhielten der Kläger und seine Lebens-partnerin durch gerichtliche Verfügung vom 27.02.2011 die Erlaubnis, für längstens sechs Monate mit dem Kind nach Deutschland zu reisen.

Während der Jahre 2010 bis 2012 hielt sich der Kläger (vermutlich zusammen mit seiner damaligen Lebenspartnerin bzw. späteren Ehefrau) mehrmals für einige Monate in T auf. Für diese Aufenthalte hatte er zunächst das Kind S und später auch die Kinder H und J mitgenommen. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Reisepässe bezogen sich die Aufenthalte in T auf folgende Zeiten:

-- Monate September bis November 2010 (Kind S),

-- Monate Mai bis Dezember 2011 (Kinder S und H),

-- Monate Juni bis Dezember 2012 (Kinder S, H und J).

Das Kind S besuchte während der Monate Juli bis Dezember 2012 den Kindergarten in T (siehe Bescheinigung der Stadt T vom 18.11.2012). Während der Monate November und Dezember 2011 war der Kläger als Fahrer im Transportgewerbe erwerbstätig. Für die Zeiten, während der er sich zuvor in den Jahren 2010 und 2011 in T aufgehalten hatte, hatte er sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Über Zeiten der Erwerbstätigkeit bzw. Arbeitslosigkeit während des Jahres 2012 ist in Bezug auf die Inlandsaufenthalte des Klägers hier nichts bekannt.

Am 15.06.2011 stellte der Kläger für die Kinder S und H einen Antrag auf Kindergeld. Dem Antrag fügte er betreffend das Kind S eine Erklärung für Pflegekinder und eine Übersetzung der gerichtlichen Verfügung vom 27.02.2011 (Ausreiseerlaubnis für die Frist von sechs Monaten) bei. Auf Anforderung der Familienkasse reichte er eine für beide Kinder ausgestellte Haushaltsbescheinigung sowie einen Arbeitsvertrag nach. Die Familienkasse setzte daraufhin durch Bescheid vom 27.07.2011 betreffend die Kinder S und H Kindergeld für die Zeit ab Juni 2011 fest.

Am 14.06.2012 ste...

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