rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnsitz eines Kindes bei Ausbildung im Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einem Auslandsaufenthalt eines Kindes zum Zwecke der Ausbildung von über einem Jahr wird der Inlandswohnsitz grundsätzlich nur dann beibehalten, wenn das Kind entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort behält oder wenn es zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse verfügt.
2. Im Hinblick auf die Betreuung des Kindes durch Bezugspersonen ist im Einzelfall zu differenzieren, ob das Kind als Schüler im heranwachsenden Alter von seinen Eltern zum Schulbesuch ins Ausland geschickt wird oder ob ein volljähriges Kind sich entschließt, seine weitere Ausbildung (Schule, Studium usw.) im Ausland zu absolvieren.
Normenkette
AO § 8; EStG § 63 Abs. 1 S. 3
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht für solche Kinder, die seit ihrem sechsten Lebensjahr in X (= Naher Osten) die Schule besuchen und sich nur während der Sommerferien bei ihren Eltern in Deutschland aufhalten. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger (geb. 194... in x) hält sich seit 1962 in Deutschland auf. Er besitzt außer der…x auch die deutsche Staatsangehörigkeit. In zweiter Ehe ist er verheiratet mit Frau N (geb. 195... in x). Aus dieser Ehe hat er zwei Töchter, S (geb. 1989 in…Deutschland) und D (geb. 1993 in…Deutschland). Beide Kinder besitzen sowohl die…x als auch die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der Kläger erhielt für die beiden Kinder vom damals zuständigen Arbeitsamt…Kindergeld. Im Mai 1995 richtete er an das Arbeitsamt die Anfrage, ob für die Tochter S weiter Anspruch auf Kindergeld bestehe, wenn diese die Schule in x besuche. Nach entsprechenden Ermittlungen ging das Arbeitsamt davon aus, das Kind S habe seinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten, und gewährte insoweit das Kindergeld weiter. Später erhielt es Kenntnis davon, dass der Kläger sich mit den Kindern S und D während der Jahre 1995 und 1996 insgesamt für mehrere Monate in x aufgehalten hatte. Im Zuge weiterer Ermittlungen erhielt es sodann Bescheinigungen, wonach S ab August 1996 die Grundschule in…Deutschland besucht hat. Daraufhin stellte es in Bezug auf den Wohnsitz der Kinder seine Bedenken wieder zurück.
Im Sommer des Jahres 1997 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz in den Bezirk der hier beklagten Behörde (Agentur für Arbeit…– Familienkasse, im Folgenden: Familienkasse). Auf entsprechende Anfrage legte der Kläger der Familienkasse eine Bescheinigung vor, wonach S ab August 1997 die Grundschule in…besucht hat. Im Juli 1999 teilte er der Familienkasse mit, seine Tochter D werde ab August 1999 in x die Schule besuchen. Auf entsprechende Nachfrage gab er im November 1999 an, auch seine Tochter S halte sich in x zum Schulbesuch auf. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen legte er Bescheinigungen des staatlichen Erziehungsamtes in x (ausgestellt im November bzw. Dezember 1999) vor, wonach beide Kinder an einer dortigen Schule unterrichtet worden sind, und zwar D in der 1. Klasse und S in der 5. Klasse. Entsprechende Bescheinigungen reichte er später auch für die Folgejahre ein.
Im Oktober 2002 richtete die Familienkasse an den Kläger die Anfrage, ob sich das Kind S in x nur vorübergehend und zum Zweck der Schulausbildung aufhalte, ob und wann es nach Deutschland zurückkehren werde und ob eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt erfolgt sei. Hierauf teilte der Kläger der Familienkasse mit: Seine Tochter S sei nur zur Schulausbildung in x. Sie kehre während der Sommerferien immer wieder in seinen Haushalt zurück. Beim Einwohnermeldeamt sei sie weiterhin gemeldet.
Mit Bescheid vom 07.11.2002 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Kinder S und D mit Wirkung ab Dezember 2002 gemäß § 74 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. Zur Begründung führte sie aus: Die Kinder hätten weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Hierfür sei es unerheblich, dass die Kinder den (bloßen) Willen hätten, nach der Schulausbildung nach Deutschland zurückzukehren, und dass sie sich während eines Zeitraums von drei Monaten besuchsweise in Deutschland aufhielten. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 24.02.2003).
Mit der Klage macht der Kläger im Wesentlichen Folgendes geltend:
Seine beiden Töchter besuchten in der…Stadt in x das private ...-Kolleg für Mädchen. Das Schuljahr beginne dort am 15. September eines jeweiligen Jahres und ende am 31. Mai des darauf folgenden Jahres. Mithin befänden sich seine Töchter in der Zeit vom 1. Juni bis etwa Mitte September eines jeden Jahres in Deutschland. Der jährlich zusammenhängende Aufenthalt betrage mithin mindesten dreieinhalb Monate. Seine Töchter hätten die Absicht, spätestens nach Beendigung ihrer Schulausbildung in x wieder nach Deutschland...