Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden wegen Altersvorsorgebeiträge nach nicht fristgerechter Zustimmung zur Datenübermittlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Erteilt ein Steuerpflichtiger trotz Hinweises seine Zustimmung zum Datenaustausch nicht fristgerecht, macht aber gleichwohl den Sonderausgabenabzug geltend, kann er nicht auf den Bestand der materiell-rechtliche fehlerhaften Steuerfestsetzung vertrauen; selbst wenn diese im Rahmen eines Einspruchsverfahrens nochmals vom Finanzamt geprüft wurde.
2. Hat ein Steuerpflichtiger seine Einwilligung zur Datenübermittlung gemäß § 10a Abs. 5 S. 1 EStG nicht fristgerecht erteilt und somit die gesetzliche 2-Jahres-Frist für die Streitjahre versäumt, führt dies zur Versagung des Sonderausgabenabzugs.
3. § 91 Abs. 1 S. 4 EStG bestimmt eine Änderung des Steuerbescheides für alle diejenigen Fälle, in denen der nach § 91 EStG durchzuführende Datenabgleich Abweichungen von dem in der Steuerfestsetzung berücksichtigten Sonderausgabenabzug ergibt, unabhängig von den Gründen, die zu einer Abweichung geführt haben.
Normenkette
EStG §§ 10 a, 91 Abs. 1 S. 4; AO § 172 Abs. 1 S. 1Nr. 2
Streitjahr(e)
2013
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung von Altersvorsorgebeiträgen als Sonderausgaben nach § 10a des Einkommensteuergesetzes in der im jeweiligen Streitjahr geltenden Fassung (EStG).
In den Streitjahren erzielte der Kläger als A Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre machte er als Sonderausgaben u.a. geleistete Altersvorsorgebeiträge in Höhe von 1.320 € (für 2011), in Höhe von 1.344 € (für 2012) und in Höhe von 2.424 € (für 2013) geltend. Den Steuererklärungen 2011 und 2012 war jeweils eine Bescheinigung nach § 92 EStG der Pensionskasse beigefügt. Auf der Rückseite dieser Bescheinigungen heißt es: "Die Ausstellung der Bescheinigung nach § 10a Abs. 5 EStG in Papierform ist gesetzlich nicht mehr vorgesehen und entfällt daher. Sofern sie die Beträge als Sonderausgaben im Rahmen der steuerlichen Höchstgrenze geltend machen möchten, ist dies nur möglich, wenn Sie uns bevollmächtigen Ihre Altersvorsorgebeiträge nach § 10a Abs. 5 EStG per Datensatz an die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) zu übermitteln. Da uns derzeit keine Bevollmächtigung von Ihnen vorliegt, können wir die Übermittlung ihrer Daten an die ZfA nicht durchführen und ein Sonderausgabenabzug ist für Sie nicht möglich.“ Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Bescheinigungen wird auf Bl. 14 der Einkommensteuerakte 2011 und Bl. 5 der Einkommensteuerakten 2012 Bezug genommen.
Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens für 2012 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt -FA -) die geltend gemachten Aufwendungen und setzte mit Bescheid vom 15. Januar 2014 die Einkommensteuer 2012 auf 59.853,-- € fest. Die Steuerermäßigung wegen berücksichtigter Altersvorsorgebeträge wurde gemäß § 10 Abs. 4 EStG auf 503 € festgestellt. Für 2011 und 2013 wurden die Aufwendungen nicht im Veranlagungsverfahren, sondern erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens berücksichtigt. Seinen Einsprüchen hatte der Kläger jeweils eine Kopie der Bescheinigung nach § 92 EStG beigefügt. Mit Bescheiden vom 25. Februar 2013 (für 2011) und vom 23. Dezember 2014 (für 2013) half das FA dem Einspruchsbegehren ab. Die Einkommensteuer wurde auf 58.308 € (für 2011) und 43.802 € (für 2013) festgesetzt; die Steuerermäßigung gemäß § 10 Abs. 4 EStG wurde auf 494 € (für 2011) und 720 € (für 2013) festgestellt.
Am 15. November 2015 teilte die ZfA dem FA mit, dass die vom FA erstellten Datensätze nicht verarbeitet werden konnten, da der Kläger ggf. die hierfür erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe. Daraufhin änderte das FA mit Bescheiden vom 26. Januar 2016 die ursprünglichen Steuerfestsetzungen gemäß § 10a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 2a Satz 8 EStG und erhöhte die Einkommensteuer für 2011 um 494 € auf 58.802 €, für 2012 um 503 € auf 60.356 € und für 2013 um 720 € auf 44.522 €. Die Steuerermäßigung nach § 10 Abs. 4 EStG wurde auf jeweils 0 € festgestellt.
Gegen alle Bescheide legte der Kläger am 27. Januar 2016 Einspruch ein und teilte mit, er werde sich zeitnah um eine elektronische Mitteilung der Daten bemühen. Nachdem das FA mitgeteilt hatte, dass die zweijährige Frist zur Erteilung der Zustimmung zwischenzeitlich bereits abgelaufen sei, vertrat der Kläger die Auffassung, die Änderung der Steuerbescheide sei - unabhängig von der steuerethisch höchst fragwürdigen Vorgehensweise des FA - rechtlich nicht zulässig, da sie gegen den Untersuchungsgrundsatz des § 88 AO verstoße. Wenn der rein formalen Zustimmung zur Datenübermittlung eine solche Bedeutung beizumessen sei, hätten bereits die ursprünglichen Steuerbescheide nicht ergehen dürfen. Da hinsichtlich zweier Veranlagungszeiträumen der Sachverhalt im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen die ursprünglichen Steuerbescheide erneut gesondert zu prüfen gewesen sei, hätten sowohl er (der Kläger) al...