Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses auf Abruf
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 12 Abs. 1 TzBfG können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Arbeitszeit von zehn Stunden sowie ab dem 1. Januar 2019 von 20 Stunden als vereinbart.
2. Bei einem Arbeitsverhältnis auf Abruf bleibt die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit trotz § 12 TzBfG privatautonom gestaltbar. § 12 TzBfG greift nur subsidiär ein und fingiert eine Arbeitsdauer von 20 Wochenstunden, wenn vertraglich keine Dauer bestimmt ist. Es ist daher regelmäßig zu prüfen, ob die Parteien - ausdrücklich oder konkludent - etwas anderes vereinbart haben. Daran ist auch nach der zum 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Änderung auf ein Mindeststundendeputat von 20 Wochenstunden festzuhalten.
3. Dem berechtigten Anliegen des Gesetzgebers, zugunsten der Arbeitnehmer für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, kann durch eine konsequente Anwendung der Beweislastregeln Rechnung getragen werden. Der Arbeitgeber muss im Prozess eine von der gesetzlichen Mindeststundenzahl abweichende Vereinbarung darlegen und beweisen.
Normenkette
TzBfG § 12 Abs. 1 S. 3; BGB §§ 615, 293-294, 296; BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.08.2019; Aktenzeichen 10 Ca 1439/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 20. August 2019 - 10 Ca 1439/19 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.560,00 EUR (in Worten: Eintausendfünfhundertsechzig und 0/100 Euro) brutto für den Monat Februar 2019 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.560,00 EUR (in Worten: Eintausendfünfhundertsechzig und 0/100 Euro) brutto für den Monat März 2019 zu zahlen.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger weitere 180,00 EUR (in Worten: Einhundertachtzig und 0/100 Euro) brutto Urlaubsabgeltung für das Jahr 2017 zu zahlen.
Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger weitere 180,00 EUR (in Worten: Einhundertachtzig und 0/100 Euro) brutto Urlaubsabgeltung für das Jahr 2018 zu zahlen.
Die Anschlussberufung des Beklagten wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Kündigungsschutzantrags gegen die außerordentliche Kündigung vom 29. April 2019 richtet. Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 55 % und der Beklagte 45 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 45 % und der Beklagte 55 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses sowie um Entgeltansprüche.
Der am xx.xx.1962 geborene Kläger war seit dem 22. Juni 2011 bei dem Beklagten als Elektroinstallateur beschäftigt. Der Beklagte betrieb als Einzelunternehmer einen Elektroinstallationsbetrieb, in dem nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen.
Unstreitig erhielt der Kläger zuletzt einen Bruttostundenlohn von 19,50 Euro. Der Beklagte meldete den Kläger zur Sozialversicherung an und erteilte monatliche Entgeltabrechnungen. Eine feste wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit war nicht vereinbart, die Arbeit sollte je nach Aufträgen bzw. Anfall erfolgen. Die Arbeitszeit des Klägers variierte stark. Im Jahr 2016 arbeitete er ca. 800 Stunden, im Jahr 2017 344 Stunden und im ersten Halbjahr 2018 390 Stunden. Er hat monatlich unterschiedlich zwischen 30 bis zu 100 Stunden gearbeitet.
Der Kläger arbeitete - jedenfalls bis Frühjahr 2017 - nicht nur für den Beklagten, sondern auch für Herrn A, ferner für die Fa. B. Von der Fa. B erhielt er im Monat November 2018 noch 440 Euro überwiesen.
Am 26. Juni 2018 stellte der Kläger seine Arbeit für den Beklagten auf der Baustelle xxxx ein. Als er kurz danach von dem Beklagten kontaktiert und gefragt wurde, wann er wieder arbeiten könne, antwortete er sinngemäß, das wisse er nicht, das sei privat.
Anfang November 2018 kam es zu einem persönlichen Gespräch im Büro des Beklagten zwischen den Beteiligten. Nach den Behauptungen des Beklagten teilte er dem Kläger bei diesem Gespräch mit, dass er ihn bei der Sozialversicherung abgemeldet habe, dies hat der Kläger ausdrücklich bestritten. Was genau Inhalt des Gespräches war, steht zwischen den Parteien im Streit.
Im Kalenderjahr 2018 rechnete der Beklagte wie folgt den Monatslohn ab und wies die Beträge zur Auszahlung an:
Monat in 2018 |
Betrag in Euro |
Januar |
1.170 |
Februar |
1.950 |
März |
585 |
April |
585 |
Mai |
585 |
Juni |
585 |
Juli |
585 |
August |
585 |
September |
316,89 |
Oktober |
463,74 |
Spätestens am 8. Januar 2018 erfuhr der Kläger von seiner Krankenversicherung, dass ihn der Beklagte zum 31. Oktober 2018 ...