Leitsatz
Der in § 40a Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000 enthaltene Verweis auf § 8b Abs. 2 KStG umfasst nicht zugleich die Rechtsfolge des § 8b Abs. 3 KStG als Rechtsgrundlage für die Hinzurechnung eines sog. negativen Aktiengewinns aus der Rückgabe von Anteilsscheinen an einem Wertpapier-Sondervermögen zum Steuerbilanzgewinn.
Normenkette
§ 8b Abs. 2 und 3 KStG, § 40a Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG, § 40a Abs. 1 Satz 2, § 43 Abs. 18 KAGG i.d.F. des StVergAbGProtUmsG, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Die Klägerin, ein genossenschaftliches Kreditinstitut, hielt alle Anteilsscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen. Im Streitjahr 2002 erzielte sie aus der Rückgabe der Anteilsscheine einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 70.000 EUR, der einen besitzanteiligen sog. negativen Aktiengewinn i.H.v. rd. 220.000 EUR enthält. Dabei handelt es sich um einen die Substanz des Wertpapier-Sondervermögens betreffenden "Aktienverlust", der sich auf den Rücknahmepreis der Anteilsscheine am Wertpapier-Sondervermögen ausgewirkt hat.
Das FA rechnete den sog. negativen Aktiengewinn dem Steuerbilanzgewinn hinzu. Dazu verwies es auf § 40a Abs. 1 Satz 2 und § 43 Abs. 18 KAGG i.d.F. des Gesetzes vom 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840) i.V.m. § 8b Abs. 3 KStG. Die hiergegen erhobene Klage war erfolglos (FG München, Urteil vom 17.3.2009, 6 K 3474/06, Haufe-Index 2160632, EFG 2009, 1053).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte im Ergebnis Erfolg. Das FG-Urteil wurde aufgehoben und der Klage stattgegeben. Es war das eine, dass sich aus § 40a KAGG n.F. in der Sache etwas anderes ergab und das FG-Urteil danach zu bestätigen gewesen wäre. Das andere war, dass § 40a KAGG n.F. im Streitfall noch nicht hätte angewandt werden dürfen. Die neue Vorschrift wirkte in verfassungswidriger Weise zurück. Deswegen kam es auf die Auslegung der Altregelung an, und auf dieser Basis konnte der negative Aktiengewinn abgezogen werden. So hat der BFH dann auch entschieden, nachdem er das Verfahren wegen des anhängigen Normenkontrollersuchens an das BVerfG über lange Zeit gem. § 74 FGO ausgesetzt hatte.
Hinweis
1. Der Rechtstreit betrifft "ausgelaufenes Recht", nämlich das schon seit geraumer Zeit durch das InvStG ersetzte KAGG. Der "amtlichen" Urteilsveröffentlichung kommt von daher vor allem eine dokumentarische Funktion zu. Daneben aber auch der Klärung einer Rechtsfrage zur Auslegung des § 40a KAGG, die vielerorts in den Schränken der Finanzämter und der Finanzgerichte einer Antwort harrte. Grund dafür war der Umstand, dass das BVerfG (vom FG Münster, Beschluss vom 22.2.2008, 9 K 5096/07 K, EFG 2008, 983) angerufen worden war, um über die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Übergangsvorschrift in § 43 Abs. 18 KAGG zu § 40a KAGG, beide i.d.F. des StVergAbGProtUmsG vom 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) im Rahmen einer Normenkontrolle zu entscheiden. Und deswegen waren einschlägige Verfahren allerorten ausgesetzt worden, um jene Entscheidung abzuwarten.
2. Diese Entscheidung des BVerfG lag mittlerweile vor. Es handelt sich um den allseits als spektakulär aufgenommenen Beschluss vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08 (BGBl I 2014, 255, BFH/NV 2014, 653). Danach gilt:
Den Inhalt geltenden Rechts kann der Gesetzgeber mit Wirkung für die Vergangenheit aus Gründen des Vertrauensschutzes nur in den verfassungsrechtlichen Grenzen für eine rückwirkende Rechtsetzung feststellen oder klarstellend präzisieren. Eine nachträgliche, klärende Feststellung des geltenden Rechts durch den Gesetzgeber ist grundsätzlich als konstitutiv rückwirkende Regelung anzusehen, wenn dadurch eine in der Fachgerichtsbarkeit offene Auslegungsfrage entschieden wird oder eine davon abweichende Auslegung ausgeschlossen werden soll. Unerheblich ist, dass bis zur Gesetzesänderung noch keine einschlägige gerichtliche Entscheidung ergangen war.
Denn, so das BVerfG:
"Zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich in aller Regel die rechtsprechende Gewalt berufen (…). Dies gilt auch bei der Frage, ob eine Norm konstitutiven oder deklaratorischen Charakter hat. Allerdings ist der Gesetzgeber ebenfalls befugt, den Inhalt einer von ihm gesetzten Norm zu ändern oder klarstellend zu präzisieren und dabei gegebenenfalls eine Rechtsprechung zu korrigieren, mit der er nicht einverstanden ist. Dabei hat er sich jedoch im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu halten, zu der auch die aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grenzen für rückwirkende Rechtsetzung gehören. Der Gesetzgeber kann diese Bindung und die Prüfungskompetenz der Gerichte nicht durch die Behauptung unterlaufen, seine Norm habe klarstellenden Charakter (…). Es besteht keine Befugnis des Gesetzgebers zur authentischen Interpretation gesetzlicher Vorschriften (…)."
Und weiter nochmals präzisierend:
"Die Auslegung des einfachen Rechts ist grundsätzlich Sache der Fachgerichte. … Der Gesetzgeber hat keine Befugnis zur authentischen Interpretation gesetzlicher Vorschriften …"
3. Auf dieser Basis hat das BVerfG die – gem. §...