OFD München, Verfügung v. 11.11.1999, S 0622 - 40 - St 312
1. Allgemeines
Sinn und Zweck der Hinzuziehung nach § 360 AO ist es, in Fällen, in denen die gleiche Rechtsfrage gegenüber Dritten ebenfalls entschieden werden müsste, das Verfahren zu vereinfachen und abweichende Entscheidungen zu vermeiden. Unterschieden wird dabei zwischen der einfachen Hinzuziehung nach § 360 Abs. 1 AO und der notwendigen Hinzuziehung nach § 360 Abs. 3 AO. Eine besondere Form stellt die Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 AO dar.
2. Einfache Hinzuziehung
Die einfache Hinzuziehung setzt voraus, dass die rechtlichen Interessen eines Dritten berührt sind. Dabei muss es sich um ein steuerliches Interesse handeln; die Möglichkeit, dass die rechtlichen Interessen nach den Steuergesetzen berührt werden, reicht aus (BFH-Beschluss vom 8.6.1966, III B 5/66, BStBl 1966 III S. 466).
Von der einfachen Hinzuziehung sollte, außer bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten (Tz. 2), nach Möglichkeit dann abgesehen werden, wenn die rechtlichen Interessen des Dritten den Belangen des Einspruchsführers zuwiderlaufen (BFH-Beschluss vom 17.8.1978, VII B 30/78, BStBl 1979 II S. 25).
Ist absehbar, dass dem Einspruch stattgegeben werden kann oder eine einvernehmliche Erledigung wahrscheinlich ist, sollte wegen der sonst erforderlichen Zustimmmung des Hinzugezogenen (s. Tz. 3) ebenfalls von einer einfachen Hinzuziehung abgesehen werden.
3. Hinzuziehung bei zusammen veranlagten Ehegatten als Hauptanwendungsfall der einfachen Hinzuziehung
Die Hinzuziehung bei zusammen veranlagten Ehegatten ist zweckmäßig, um zu verhindern, dass gegen die Ehegatten als Gesamtschuldner unterschiedliche Steuerbeträge festgesetzt werden. Es empfiehlt sich daher, bei Ehegatten von der Möglichkeit der einfachen Hinzuziehung Gebrauch zu machen, wenn nicht beide Ehegatten Einspruch eingelegt haben, vgl. AEAO Tz. 3 zu § 360 AO. Bei einem Streit über die Zurechnung von Einkünften oder Vermögen oder bei entgegengesetzten Interessen der Ehegatten soll immer eine Hinzuziehung erfolgen. Der Einspruch eines Ehegatten gegen den Bescheid über eine Zusammenveranlagung kann nicht ohne weiteres auch als Einspruch des anderen Ehegatten angesehen werden, ständige Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 27.11.1984, VIII R 73/82, BStBl 1985 II S. 296 und Urteil vom 30.10.1997, III R 27/93, BFH/NV 1998 S. 942). Deshalb ist zunächst zu prüfen, ob sich nicht aus anderen Umständen ergibt, dass der Einspruch im Namen beider Ehegatten erhoben wurde („… legen wir Einspruch ein …”; Namen beider Ehegatten im Briefkopf genannt oder Unterschrift beider Ehegatten).
Ergeben sich keine solchen Anhaltspunkte, ist beim Verfasser des Einspruchsschreibens rückzufragen, ob er den Einspruch auch im Namen seines Ehegatten eingelegt hat. Diese Anfrage kann zweckmäßigerweise mit der Ankündigung der Hinzuziehung § 360 Abs. 1 Satz 2 AO) für den Fall verbunden werden, dass der Einspruch nicht auch im Namen des anderen Ehegatten erhoben wurde. Von einer solchen Anfrage ist aber abzusehen, wenn der Einspruchsführer eindeutig zu erkennen gegeben hat, den Einspruch nur im eigenen Namen eingelegt zu haben. Die gängige Formulierung von Angehörigen der steuerberatenden Berufe, „… im Namen meines Mandanten …” einen Einspruch einzulegen, ist allerdings noch kein eindeutiger Hinweis darauf, dass der Einspruch nur für einen Ehegatten geführt werden soll.
Ein von beiden Ehegatten unterzeichnetes Schreiben, das nach Ablauf der Einspruchsfrist eingeht, ist nicht ausreichend, um das Einspruchsschreiben nachträglich als gemeinsamen Einspruch auszulegen.
4. Notwendige Hinzuziehung
Kann eine Entscheidung über einen Einspruch gegenüber Dritten nur einheitlich ergehen, so sind diese notwendig hinzuzuziehen. Dies gilt in allen Fällen, in denen die Bestandskraft auch gegenüber einem Dritten wirkt, also insbesondere bei einheitlichen und gesonderten Feststellungen. Notwendig hinzugezogen werden können aber nur Personen, die auch nach § 352 AO befugt sind, Einspruch einzulegen. Eine Hinzuziehung ist nicht notwendig in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (BFH-Urteil vom 22.10.1980, I S 1/80, BStBl 1981 II S. 99 sowie bei einem offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelf, BFH-Urteil vom 9.5.1979, I R 100/77, BStBl 1979 II S. 632).
Zur Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 vgl. OFD Nürnberg vom 1.9.1993, S 0352 – 35/St 24
6. Verfahrensrechtliche Folgen der Hinzuziehung
Sowohl vor der einfachen als auch vor der notwendigen Hinzuziehung ist der Einspruchsführer dazu zu hören § 360 Abs. 1, 2 AO AEAO Tz. 2). Diese Ankündigung der Hinzuziehung darf dem Hinzuzuziehenden noch nicht bekannt gegeben werden, um dem Einspruchsführer die Möglichkeit zu geben, den Einspruch zurückzunehmen, bevor der Hinzuzuziehende hiervon Kenntnis erhält. Im Einzelfall kann es aber insbesondere bei einer Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 AO angebracht sein, dem Hinzuzuziehenden nach Ablauf der dem Einspruchsführer bei der Ankündigung gesetzten Frist vor ...