Leitsatz
Bei der Prüfung, ob der halbe Kinderfreibetrag oder das Kindergeld günstiger ist, wird bei dem bar unterhaltspflichtigen Elternteil dessen zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch auf Kindergeld angesetzt. Dieser Ausgleichsanspruch ist geringer als die Hälfte des Kindergeldes, wenn der Unterhalt nicht den Satz von 135% der Düsseldorfer Tabelle beträgt.
Sachverhalt
Der geschiedene Vater leistet für zwei Kinder Unterhalt. Er hatte sich verpflichtet, jeweils den Satz von 128% der Düsseldorfer Tabelle (für Kind 1 = 455 DM und für Kind 2 = 552 DM) abzüglich des halben Kindergeldbetrages zu zahlen. Nach Inkrafttreten des neuen§ 1612 b Abs. 5 BGB zahlt er einen höheren Unterhalt, weil das Kindergeld mit weniger als der Hälfte angerechnet wird. Im Rahmen seiner Steuerfestsetzung begehrt er bei der Günstigerprüfung nicht den Ansatz des halben Kindergeldes, sondern lediglich des Betrages, um den sein Unterhalt tatsächlich gekürzt wird.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Die steuerliche Vergünstigung knüpfe an die zivilrechtliche Vorfrage nach dem zustehenden Ausgleichsanspruch an. Deshalb dürfe bei der Günstigerprüfung nur der Betrag als Ausgleichsanspruch berücksichtigt werden, um den der Unterhaltsanspruch des Kindes gekürzt wurde. Mit der Neuregelung des § 1612 b Abs. 5 BGB unterbleibt die Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhalt, soweit der Kindesunterhalt niedriger ist als der Satz von 135% der Düsseldorfer Tabelle. Im Streitfall beträgt der Satz von 135% für das Kind 1 = 480 DM und für das Kind 2 = 582 DM. Demgegenüber hatte sich der Vater zu Unterhaltsbeträgen von lediglich 455 DM für das Kind 1 und von 552 DM für das Kind 2 verpflichtet. Er leistet somit für das Kind 1 einen um 25 DM und für das Kind 2 einen um 30 DM geringeren Betrag. Die grundsätzlich hälftige Kindergeldanrechnung von 135 DM für jedes Kind vermindert sich deshalb um diese Beträge, so dass als Kindergeld für das Kind 1 (135 DM ./. 25 DM =) 110 DM und für das Kind 2 (135 DM ./. 30 DM =) 105 DM anzurechnen sind. Die Unterhaltsbeträge belaufen sich somit für das Kind 1 auf 455 DM abzüglich 110 DM = 345 DM und für das Kind 2 auf 552 DM abzüglich 105 DM = 447 DM.
Der zivilrechtliche Ausgleichsanspruch auf Kindergeld entspricht den bei dem zu zahlenden Unterhalt berücksichtigten Kindergeldbeträgen und nicht der Hälfte des Kindergeldes. Da im Rahmen der steuerlichen Günstigerprüfung (§ 31 Satz 5 EStG) der "zustehende" Ausgleichsanspruch dem halben Kinderfreibetrag gegenüber zustellen ist, komme es in den Fällen des § 1612 b Abs. 5 BGB nur zur Verrechnung mit dem tatsächlich beim Unterhalt berücksichtigten Kindergeld. Die Finanzämter müssten entsprechende zivilrechtliche Vorüberlegungen anstellen und nicht generell den halben Kindergeldbetrag bei der Günstigerprüfung ansetzen.
Hinweis
Gegen dieses Urteil wurde die Revision zugelassen. Sobald bekannt wird, dass tatsächlich eine Revision anhängig ist, können andere Steuerpflichtige, bei denen die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB ebenfalls zu einer geringeren Anrechnung von Kindergeld bei der Ermittlung des Unterhalts geführt hat, hinsichtlich noch offener Steuerfestsetzungen beantragen, dass bei der Günstigerprüfung nur dieser geringere Betrag berücksichtigt wird. Diese Steuerfestsetzungen können hinsichtlich der Günstigerprüfung nach § 165 AO für vorläufig erklärt werden und zulässige Einspruchsverfahren können zum Ruhen gebracht werden.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 21.05.2003, 10 K 38/03 E