Prof. Dr. Patrick Link, Beat Knüsel
Obeya ist japanisch und heißt "großer Raum" oder "war room". Das Konzept wurde von Toyota entwickelt und bezeichnet eine Form des Projektmanagements und -controllings im Lean Management. Der Kerngedanke ist, dass alle bei der Planung, dem Management und der Steuerung beteiligten Personen in einem Raum vereinigt sind, um schnellste Kommunikation und kürzeste Entscheidungswege zu erreichen. Im Obeya-Raum sind alle projektrelevanten Informationen zusammengetragen. Dabei sind diese Informationen überwiegend papiergebunden an den Wänden aufgehängt und sind für alle Beteiligten ersichtlich. Das verschafft einen guten Überblick über alle Projekte.
Abb. 6: Projektraum Obeya
In den letzten Jahren gingen v.a. große und international agierende Firmen dazu über, virtuelle Obeya-Räume zu nutzen, weil die Entwicklung oft in interdisziplinären, global verteilten Teams erfolgt. Im rein digitalen Ansatz gehen jedoch wichtige Elemente des ursprünglichen Konzeptes verloren.
Das traditionelle Obeya-Konzept sieht vor, dass sich alle Akteure gleichzeitig im Raum befinden. Die Interaktion und Kreativität der Lösungsfindung ist erschwert, wenn sich die Akteure nur virtuell treffen.
Virtuelle Obeya-Lösungen eignen sich z. B. für die Durchführung von Teammeetings, um Informationen und Arbeitsstände auszutauschen und einfache Entscheidungen zu fällen.
Weitere beispielhafte Anwendungsfälle in der Produktentwicklung sind:
- Besprechung von Abweichungsgenehmigungen, Messberichten und Versuchsergebnissen;
- Besprechung von technischen Zeichnungen und physischen Bauteilen;
- Problemlösung, Brainstorming und Entscheidungsfindung im Team;
- Projektbezogene Planungsprozesse.
Die großflächige Darstellung aller wichtigen Inhalte im Raum hilft, die Übersicht zu behalten und rasch einzelne Inhalte vergleichen oder anschauen zu können. Das traditionelle Obeya benötigt einen Raum für diesen einen Zweck. Zudem müssen alle Akteure anreisen.
Im rein virtuellen Obeya ist die Interaktion und Kreativität erschwert und die Lösungs- und Entscheidungsfindung für komplexere Probleme schwieriger. Als Alternative können deshalb hybride Ansätze genutzt werden.
iObeya ist eine Lösung mit einem interaktiven Whiteboard. So können einerseits virtuelle Teilnehmer zugeschaltet und andererseits digitale Inhalte vertieft angeschaut werden. Das ermöglicht ein besseres Verständnis für Abhängigkeiten und reduziert gleichzeitig die kollektive Zeit für die Verwaltung des Zeitplans um die Hälfte. Das 2011 gegründete Unternehmen iObeya ermöglicht es verteilten Teams, ihre Rituale und Zeremonien wie von Angesicht zu Angesicht und in einer virtuellen Umgebung durchzuführen und dabei die Prinzipien der "Lean and Agile"-Methoden einzuhalten. Mehr als 350.000 Mitarbeiter auf der ganzen Welt nutzen iObeya täglich. Im Juli 2020 gab iObeya eine weitere Finanzierungsrunde über 15,1 Mio. EUR bekannt.
Abb. 7: Hybride Obeya-Räume