Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
1. Zu den "Umsätzen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung" i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG zählen alle in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsvorgang bewirkten Einzelleistungen.
2. Das in einem Unternehmenskaufvertrag betreffend einen ambulanten Pflegedienst vereinbarte Wettbewerbsverbot kann als Umsatz im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nicht steuerbar sein.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 1 UStG, Art. 5 Abs. 8 6. EG-RL, Art. 19 MwStSystRL
Sachverhalt
Eine GbR betrieb einen ambulanten Pflegedienst. Sie veräußerte mit einem "Unternehmenskaufvertrag" das gesamte Unternehmen an den Pflegedienst B. Der Kaufpreis betrug gem. § 6 des Vertrags ... EUR.
§ 9 des Vertrags ("Konkurrenzverbot") lautete:
„(1) Die Verkäuferin verpflichtet sich, in B. und in einem Umkreis von 100 km kein Unternehmen im Bereich der Kranken- und Altenpflege zu betreiben, insbesondere nach Übertragung des Unternehmens weder mittelbar noch unmittelbar, persönlich oder über Dritte, die vom Käufer übernommenen und von diesem neu gewonnenen Patienten abzuwerben oder einem anderen Unternehmen zu empfehlen. Das Konkurrenzverbot gilt für zwei Jahre.
(2) Zum Ausgleich für das in Abs. 1 vereinbarte Konkurrenzverbot ist der Käufer verpflichtet, an die Verkäuferin einen Betrag in Höhe von ... EUR zu zahlen.”
Das FA vertrat die Auffassung, dass § 9 des Unternehmenskaufvertrags ein Entgelt für ein Wettbewerbsverbot enthalte, das umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung darstelle und nicht unter den Begriff der Geschäftsveräußerung im Ganzen falle. Es setzte insoweit Umsatzsteuer gegen die GbR fest.
Das FG gab der Klage der GbR statt (FG Münster, Urteil vom 7.12.2010, 15 K 2529/07 U, Haufe-Index 2601572, EFG 2011, 677).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Die Übernahme des Pflegedienstes der Klägerin durch die Erwerberin B stelle – wie zwischen den Beteiligten unstreitig sei – eine Geschäftsveräußerung i.S.v. § 1 Abs. 1a UStG dar.
Das FG habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass das im Streitfall im Unternehmenskaufvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot dazu diene, der übernehmenden B die Fortführung des übertragenen ambulanten Pflegedienstes zu ermöglichen; es stehe deshalb in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung.
Gegenstand der hier zu beurteilenden Geschäftsveräußerung sei, dass der Veräußerer die mit seinem bisherigen Geschäft betriebene Tätigkeit beende. Das Konkurrenzverbot sichere im vorliegenden Fall – unter Berücksichtigung der Art des Betriebs – diese Beendigung in einer für die Geschäftsfortführung durch den Erwerber gebotenen Weise ab. Es stelle sich damit als integraler Teil der Geschäftsveräußerung dar.
Hinweis
Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG). Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers (§ 1 Abs. 1a Satz 3 UStG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.8.2012 – XI R 1/11