1.3.1 Begriff
Verlängerte Leibrenten oder Mindestzeitrenten sind Renten, die zwar für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson, in jedem Fall aber für eine garantierte Mindestlaufzeit, zu erbringen sind. Die Beteiligten vereinbaren, dass die Rente im Fall des Todes der Person, von deren Lebenszeit die Dauer der Leibrente abhängt, weiterhin zu entrichten ist, wenn der Tod innerhalb der vereinbarten Mindestlaufzeit eintritt. Stirbt der Rentenberechtigte vor Ablauf der Mindestlaufzeit, geht der Rentenanspruch für die restliche Laufzeit auf die Erben über. Überlebt der Grundstücksverkäufer die Mindestlaufzeit, endet die Rentenzahlung mit seinem Tod.
Eine solche Rente wird häufig in Kaufverträgen mit älteren Verkäufern vereinbart, vor allem, wenn ein Kaufvertrag wie zwischen fremden Dritten abgeschlossen wird. Die Mindestzeitrente hat für den Verkäufer den Vorteil, dass er auch bei einem evtl. vorzeitigen Tod sicher sein kann, sein Grundstück nicht zu billig verkauft zu haben, da der Käufer in diesem Fall die Rente wenigstens bis zum Ablauf der vereinbarten Mindestzeit an seine Erben zahlen muss.
Die Mindestzeitrente hängt von 2 Faktoren ab:
- von der vereinbarten Mindestlaufzeit und
- von der Lebenserwartung des Verkäufers.
Je nachdem, ob die vereinbarte Mindestlaufzeit kürzer oder länger ist als die statistisch wahrscheinliche Lebenserwartung des Berechtigten, ergeben sich unterschiedliche steuerliche Folgen.
1.3.2 Mindestlaufzeit ist kürzer als die statistisch wahrscheinliche Lebenserwartung des Berechtigten
Ist bei einem Verkauf wie unter fremden Dritten die vereinbarte Mindestlaufzeit der Leibrente kürzer oder gleich der durchschnittlichen Lebenserwartung des Rentenberechtigten bei Beginn der Rente, hat das keinen Einfluss auf die Qualifikation der Leibrente. In diesem Fall überwiegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Verkäufer die Mindestlaufzeit überlebt, sodass die Rente erst mit seinem Tod endet. Die verlängerte Leibrente wird dann genauso behandelt wie eine normale Leibrente, der Ertragsanteil ist der "normalen" Ertragsanteilstabelle gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu entnehmen. Denn bestimmend ist in einem solchen Fall nach wie vor die Lebenserwartung der Person, von deren Lebenserwartung die Rente abhängt. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist dabei nach der zum jeweiligen Berechnungszeitpunkt geltenden Sterbetafel zu ermitteln.
Neue Sterbetafel 2021/2023
Das Statistische Bundesamt hat am 21.8.2024 die neue Sterbetafel 2021/2023 veröffentlicht.
Mindestlaufzeit ist kürzer als die Lebenserwartung des Rentenberechtigten
Der 58 Jahre alte V veräußert wie unter fremden Dritten im Jahr 2024 ein Mietwohnhaus an seine Tochter T gegen Vereinbarung einer lebenslangen, mindestens für die Dauer von 15 Jahren zu zahlenden Leibrente. Die durchschnittliche Lebenserwartung des V beträgt nach der allgemeinen Sterbetafel 2020/2022 des Statistischen Bundesamtes noch 23,09 Jahre. Da die vereinbarte Mindestlaufzeit kürzer ist als die voraussichtliche – durchschnittliche – Lebenserwartung des V, überwiegt die Wahrscheinlichkeit, dass V die Mindestlaufzeit überlebt und die Rente erst mit seinem Tod endet. Die Mindestzeitrente wird in diesem Fall genauso behandelt wie eine normale Veräußerungsleibrente.
1.3.3 Mindestlaufzeit ist länger als die statistisch wahrscheinliche Lebenserwartung des Berechtigten
Anders ist aber der Fall zu beurteilen, wenn die Mindestlaufzeit erheblich über die Lebenserwartung des Bezugsberechtigten hinausgeht. Denn dann spielt die Lebenserwartung nur eine untergeordnete Rolle.
Liegt die Mindestlaufzeit erheblich über der durchschnittlichen Lebenserwartung des Verkäufers im Zeitpunkt der Veräußerung, wird die Rente nicht mehr von der Lebenserwartung bestimmt, sondern von der Wahrscheinlichkeit, dass sie über den Tod des Verkäufers hinaus bis zur vereinbarten Mindestlaufzeit gezahlt werden muss. Die voraussichtliche Lebenserwartung des Rentenberechtigten spielt dann keine oder nur eine unbedeutende Rolle. Im Vordergrund steht das zeitliche Moment, bestimmt durch die Verpflichtung des Schuldners, die Zahlungen an die Erben des Berechtigten weiter zu leisten. Damit sind die Merkmale einer Leibrente nicht erfüllt. Die verlängerte Leibrente wird wie langfristige Kaufpreisraten behandelt.
Rentenzahlungen als Kaufpreisraten
Sind die Rentenzahlungen als Kaufpreisraten zu behandeln, müssen sie in einen Zins- und Tilgungsanteil zerlegt werden. M...