Leitsatz
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Darf die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die zweifelsfrei vorliegt, allein mit der Begründung versagen, der Steuerpflichtige habe den dafür vorgeschriebenen Buchnachweis nicht rechtzeitig geführt?
2. Kommt es zur Beantwortung der Frage darauf an, ob der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert hat?
Normenkette
§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG , § 6a Abs. 1 UStG , § 6a Abs. 3 UStG , § 17a Abs. 1 UStDV , § 17c Abs. 1 UStDV , Art. 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine Autohandels-GmbH ließ – weil ihr aus Gebietsschutzgründen nur für Verkäufe an Abnehmer in der näheren Umgebung ein Provisionsanspruch gegenüber der A-AG zustand – pro forma die von einem belgischen Händler (B) bestellten Fahrzeuge über einen anderen Händler (S) liefern. Das FA wertete die Verkäufe an S als Scheinlieferungen, weil S nur formal als "Strohmann" zwischengeschaltet gewesen sei. Daher versagte das FA dem S den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen.
Die GmbH teilte danach S mit, die entsprechenden Rechnungen seien gegenstandslos. In der Buchführung stornierte sie entsprechende Buchungen, buchte die entsprechenden Erlöse sodann auf dem Konto "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen" und behandelte diese als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen in ihren Umsatzsteuererklärungen. Dem folgte das FA nicht, weil der erforderliche (zeitnahe) Buchnachweis nicht vorlag. Das FG bestätigte das FA (EFG 04, 301).
Entscheidung
Der BFH legte dem EuGH die im Leitsatz wiedergegebenen Fragen vor.
Hinweis
Für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gelten bestimmte Nachweisvoraussetzungen: Der sog. Belegnachweis (§ 17a Abs. 1 UStDV) und der sog. Buchnachweis (§ 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV); die Voraussetzungen müssen gem. § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen" sein.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu den Anforderungen an den Nachweis einer Ausfuhrlieferung in das Drittlandgebiet ist unter einem "Buchnachweis" ein Nachweis durch Bücher oder Aufzeichnungen in Verbindung mit Belegen zu verstehen. Der Buchnachweis verlangt deshalb stets mehr als den bloßen Nachweis durch Aufzeichnungen oder Belege. Belege werden durch die entsprechenden – und erforderlichen – Hinweise und Bezugnahmen in den stets notwendigen Aufonderte Aufzeichnungen) und damit des Buchnachweises, so dass beide eine Einheit bilden. Nur der Nachweis der Ausfuhr, d.h. des tatsächlichen Verbringens in das Drittland, als (ein) Bestandteil des buchmäßigen Nachweises kann noch bis zur letzten mündlichen Vzeichnungen Bestandteil der Buchführung (oder geserhandlung vor dem FG geführt werden.
Gleiches müsste – wegen des identischen Wortlauts – auch für den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 17a bis § 17c UStDV) gelten.
Zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung vertrat der Österreichische Verfassungsgerichtshof die Auffassung: Die Versagung der Steuerbefreiung sei überschießend und verstoße gegen Verhältnismäßigkeitsgebot, wenn tatsächlich zweifelsfrei feststehe, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat gelangt ist. Wie dieser Konflikt zwischen Nachweispflicht – die im Gemeinschaftsrecht verankert ist – und Verhältnismäßigkeit gemeinschaftsrechtlich zu lösen ist, kann nur der EuGH entscheiden. Einerseits dürfen die Mitgliedstaaten eine innergemeinschaftliche Lieferung unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen (nur) unter den Bedingungen von der Umsatzsteuer befreien, die sie zur Gewährleis?ung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und -missbrauch festlegen (Art. 28c Teil A Buchst. a und c der 6. EG-RL). Andererseits gilt auch gemeinschaftsrechtlich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Beachten Sie: Vergleichbares wird gelten, wenn zweifelsfrei feststeht, dass eine Ausfuhrlieferung vorliegt. Halten Sie entsprechende Fälle offen.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 10.2.2005, V R 59/03