Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Ficht der Insolvenzverwalter des vormaligen Organträgers Zahlungen an Lieferanten der vormaligen Organgesellschaft (Leistungsempfänger) erfolgreich an, erfolgt keine Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG.
Sachverhalt
Zwischen A und B bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft mit B als Organträgerin und A als Organgesellschaft. Nachdem A in Liquiditätsschwierigkeiten geraten war, zahlte die damalige Organträgerin B noch Lieferantenrechnungen für A. Später kam es zur Insolvenz sowohl von A als auch von B. Der Insolvenzverwalter von B hat in der Folgezeit sämtliche Zahlungen von B an Lieferanten von A nach § 134 InsO angefochten und war damit erfolgreich. Nachdem er die Zahlungen von den Lieferanten zurückerhalten hatte, lehnte er es ab, die Gelder an die Klägerin (Insolvenzverwalter der A) auszukehren. Dennoch berichtigte das Finanzamt die Vorsteuerbeträge gegenüber A. Es vertrat die Auffassung, dass die Vorsteuerberichtigung gegenüber der ehemaligen Organgesellschaft zu erfolgen habe und die Umsatzsteuer damit gegen die Masse festzusetzen sei.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat zunächst bestätigt, dass Uneinbringlichkeit auch bei Rückgewähr von Entgelten aufgrund von Insolvenzanfechtungen vorliegt. Darauf, ob der ursprüngliche Entgeltanspruch durch Zahlung bereits erloschen war und daher zivilrechtlich nicht mehr aufleben kann, kommt es umsatzsteuerrechtlich nicht an. Dennoch waren die angefochtenen Steuerbescheide aufzuheben, weil die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin von A weder durch eigene Handlungen Zahlungsvorgänge angefochten hatte noch die streitigen Umsatzsteuerbeträge zur Masse ziehen konnte.
Eine Pflicht zur Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG hätte nur dann bestanden, wenn durch ihr Handeln Masseverbindlichkeiten entstanden wären. Nur der als Masseverbindlichkeit anzusetzende Teil des Umsatzsteueranspruchs darf durch Steuerbescheid gegen den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
Im vorliegenden Verfahren war nicht darüber zu entscheiden, ob eine Vorsteuerberichtigung beim anfechtenden Zahlungsempfänger (vormalige Organträgerin B) zu erfolgen hat. Dafür könnte aber sprechen, dass sowohl der zunächst in Anspruch genommene Vorsteuerabzug als auch die notwendige Berichtigung ausschließlich auf das Handeln von B bzw. des Insolvenzverwalters von B zurückzuführen sind. Hätte B die an A gerichteten Rechnungen der Lieferanten nicht bezahlt, wären die Entgelte schon bei Erhalt der Lieferung uneinbringlich gewesen und B hätte den Vorsteuerabzug für die noch bestehende Organschaft nicht in Anspruch nehmen können. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Verantwortung zur Berichtigung auf A übergehen soll, obwohl der Insolvenzverwalter gerade die Zahlungen angefochten hat, die den streitigen Vorsteuerabzug erst ermöglicht haben.
Hinweis
Nachdem das Finanzamt Beschwerde eingelegt hatte, wurde die Revision durch den BFH zugelassen, Az beim BFH XI R 5/20. Deshalb muss nun die Frage beantwortet werden, ob Umsatzsteuerforderungen im Insolvenzverfahren einer vormaligen Organgesellschaft, die auf Vorsteuerberichtigungsansprüchen im Sinne von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG wegen der Rückgewähr von insolvenzrechtlich anfechtbar geleisteten Zahlungen an ihre Lieferanten basieren, auch bei Durchsetzung der Anfechtungsansprüche durch den Insolvenzverwalter des vormaligen Organträgers Masseverbindlichkeiten der vormaligen Organgesellschaft darstellen. In diesem Zusammenhang ist dann zu klären, ob eine Vorsteuerberichtigung aufgrund erfolgreicher Insolvenzanfechtung beim umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfänger (vormalige Organgesellschaft) oder beim anfechtenden Zahlungsempfänger (vormaliger Organträger) zu erfolgen hat. Der BFH hat entschieden, dass § 17 UStG gegenüber dem vormaligen Organträger nicht einschlägig ist, wenn die Uneinbringlichkeit des Entgelts erst nach der Beendigung der Organschaft eingetreten ist (BFH, Urteil v. 7.12.2006, V R 2/05). Ob der nun mit der Sache befasste XI. Senat dies genauso sieht, bleibt abzuwarten.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil v. 29.05.2019, 8 K 1108/17