Im zweiten Kapitel haben wir uns mit den Auswirkungen der gravierenden Veränderungen im Unternehmensumfeld auf die Unternehmenssteuerung befasst und dabei die Sinnhaftigkeit und die Grundrisse einer integrativen Steuerung herausgearbeitet. Das dritte Kapitel befasste sich mit den Elementen einer integrativen Unternehmenssteuerung, wobei wir sie eingebettet haben in das international auf breiter Kooperationsbasis entwickelte Konzept des integrativen Denkens und Berichtens.
Im vierten Kapitel wenden wir uns den in der Praxis bereits entwickelten Konzepten und Methoden einer integrativen Unternehmenssteuerung zu. Dabei werden wir zeigen, dass es nicht so sehr um die "Entdeckung" oder "Entwicklung" neuartiger Konzepte geht. Die meisten Instrumente und Kennzahlensysteme sind schon da und oft auch bereits im Einsatz (s. Abb. 16).
Abb. 16: WHU-Controller-Panel 2014: Intensivere Nutzung von Instrumenten bei zunehmender Volatilität
Was heute auf der Tagesordnung steht, sind aus unserer Sicht vor allem drei Punkte:
Es geht darum, die vielfältigen Methoden, Werkzeuge, Instrumente und Kennzahlen zu vernetzen – d. h. sie in einem gemeinsamen, digital verbundenen und auf allen Ebenen (einschließlich der Top-Ebene) angewandten Steuerungsansatz zu integrieren. Das ist leichter gesagt, als getan.
- Welche Unternehmen bspw. verknüpfen die Konten ihrer Buchhaltung und deren sehr detaillierten Zeitreihen durchgängig mit entsprechenden anderen softwaregestützten Instrumenten wie CRM, SCM, HR, den Managementsystemen zu Nachhaltigkeit, Gesundheit, Wissen, Qualität, Risiken und Compliance? Sicherlich werden in vielen Unternehmen einzelne Elemente etwa im Rahmen von SAP- oder anderen, vergleichbaren Planungs- und Abrechnungssystemen miteinander verbunden. Aber wie viele Unternehmen haben ein Konzept, alle Komponenten durchgängig miteinander auf digitaler Basis zu verbinden?
- Welche Unternehmen sorgen dafür, dass ihre digitalen Instrumente auch grundsätzlich digital genutzt und nicht immer wieder manuell "gefüttert" werden?
- Welche Unternehmen kombinieren die bereits heute möglichen Analyse- und Vorschauergebnisse der genannten Systeme und Instrumente für Entscheidungsfindungen bis in die oberste Führungsebene?
- Es geht darum, für diesen integrativen Steuerungsansatz in allen Unternehmensteilen ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Ein integrativer Steuerungsansatz schließt ein, dass alle Bereiche eines Unternehmens miteinander kommunizieren und sich miteinander austauschen können, um wechselseitig die Auswirkungen des eigenen Tuns auf die anderen im Netzwerk beobachten und einschätzen zu können.
- Es geht darum, für alle Bestandteile des integrativen Steuerungsansatzes eine gemeinsame Datenbasis zu schaffen. Auf das Erfordernis einer "Single Source of Truth" haben wir schon mehrfach verwiesen. Es ist aber ein so zentraler Punkt, dass wir ihn durch alle 3 Kapitel immer wieder aus verschiedener Sicht hervorheben wollen.
Neben diesen Kernpunkten stehen weitere Veränderungen im Grundverständnis und dem konkreten Instrumentarium des Controllings und des Qualitätsmanagements auf der Tagesordnung. Eine integrative Unternehmenssteuerung erfordert einen anderen Blick auf das Unternehmen. Der in Kapitel 1 beschriebene Paradigmenwechsel, stellt Anforderungen an eine veränderte Steuerung in mehreren Bereichen:
- Die Sicherstellung der Marktpositionierung wird wichtiger als eine zentral gesteuerte detaillierte Kostenoptimierung.
- Die Berücksichtigung aller Vermögensarten erfordert eine stärkere Betrachtung von Potenzialen.
- Die zunehmende Dynamik im Unternehmensumfeld erweitert den Horizont der Unternehmenssteuerung auf die Wertschöpfungsnetzwerke über die Unternehmensgrenzen hinaus.
- Es muss eine neuartige Balance zwischen Lernen aus gewonnenen Erfahrungen und dem Nutzen strukturierter, begründeter Zukunftserwartungen gefunden werden.
- Die Konzentration muss stärker auf "Meldegrößen" für strategisch relevante Aspekte liegen als auf Details des Handels vor Ort.
4.1 Neue Ansätze für die Steuerung
Für eine integrative Steuerung benötigen wir zunächst Ansätze zur Dynamisierung, zur Vereinfachung und zur besseren Verzahnung bestehender Werkzeuge. Darüber hinaus geht es um übergreifende Werkzeuge für die Steuerung der verschiedenen Ebenen und Bereiche des Unternehmens sowie dessen Zugang zu den erforderlichen Ressourcen/Vermögensarten.
4.1.1 Dynamisierung der Steuerung
Grundsätzlich lassen sich wie beim menschlichen Denken ein schnelles und ein langsames Steuerungssystem unterscheiden.
Das schnelle System hat per se eine hohe Dynamik, da bestimmte Reize immer gleiche Reflexe auslösen. Dies ist durch einen hohen Automatisierungsgrad zu erreichen. Wir können zwischen menschenbasierter und technologischer Automatisierung unterscheiden.
- Menschenbasierte Automatisierung: Definition der Steuerungs- und Entscheidungsprämissen bis hin zu eindeutigen Wenn-Dann-Festlegungen (Kausalprogramme, Prozessbeschreibungen) und der Erarbeitung von in technischen Systemen nutzbaren Algorithmen.
- Technologische Automati...