Um nicht-materielle und nicht-finanzielle Faktoren in die Unternehmenssteuerung einzubinden ist es erforderlich, solche "Soft-Factors" messen und steuern zu können. Wir sind es in den meisten Unternehmen nicht gewohnt, weiche Faktoren als Messgrößen zu behandeln und mit klaren Zielwerten zu versehen.
Die Bewertungsverfahren für diese Vermögensarten sind noch rudimentär. Unternehmen, die mit erweiterten Management-Systemen wie der Balanced Scorecard arbeiten, konnten für den Einsatz nichtfinanzieller Kennzahlen in den letzten Jahren gute Erfahrungen sammeln. Außerdem werden im Qualitätsmanagement seit Jahr und Tag nichtfinanzielle Leistungsindikatoren eingesetzt. Auch diese Erfahrungen lassen sich für die Unternehmenssteuerung nutzen. Sicher wird es im Zeitablauf bessere Methoden geben. Aber wir starten nicht beim Nullpunkt.
Messgrößen für weiche Faktoren können u. a. dem Kennzahlen-Set der Global Reporting Initiative (GRI) entnommen werden. Wichtig ist jedoch, dass sowohl für die harten als auch die weichen Faktoren, die an der Wertschöpfung beteiligt sind,
- Inhalt und Zweck klar und konkret beschrieben,
- Messgrößen definiert,
- Zielwerte festgelegt,
- Datenquellen und Häufigkeiten der Messung zugeordnet,
- Ist-Werte ermittelt und
- Aussagen aus den Plan-Ist-Abweichungen abgeleitet werden.
Dass muss dann zu Maßnahmen führen, die ausgewogen die Vermögensarten und zugeordnete Stakeholder berücksichtigen. Mitunter geht es in der Praxis auch andersherum. So werden zunächst Maßnahmen festgelegt, deren Wirkung dann gemessen werden sollen. Dafür müssen Messgrößen entwickelt werden. Das ist nur möglich, wenn konkrete Ziele definiert werden, weil Messdaten nur für konkretes Handeln erhoben werden können.
Die Bedeutung der nichtfinanziellen Faktoren kommt nicht nur im Framework des Integrated Reporting / Integrated Thinking oder in Managementsystemen wie der Balanced Scorecard zum Ausdruck, sondern u. a. auch in den Rating-Konzepten von Basel II und Basel III, mit dem Banken verpflichtet werden, für ihre (großen) Kundenunternehmen auch diese immateriellen Werte zu beurteilen.
Unter immateriellen Werten werden solche Faktoren verstanden, die zum Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens beitragen, aber nicht direkt in Geld gemessen werden können und damit auch nicht im Rechenwerk des Unternehmens erscheinen.
Ein Beispiel für die Möglichkeit der Erfassung wesentlicher "Soft Facts" ist die im Rahmen der Gemeinwohl-Ökonomie praktizierte Bewertungsmatrix (s. Abb. 20):
Abb. 20: Bewertungsmatrix der Gemeinwohl-Ökonomie
Für jeden der 20 Faktoren gibt es konkrete Kennzahlen und Metriken, mit denen der Entwicklungsstand im Unternehmen bewertet werden kann. Ausgebildete Assessoren helfen den Unternehmen auf freiwilliger Basis, mithilfe dieser Matrix eine sogenannte Gemeinwohlbilanz zu erstellen. Die Matrix wird gemeinschaftlich weiterentwickelt. So gibt es z. B. Vorschläge, eine fünfte Spalte zur nachhaltigen Schaffung von Werten einzufügen.
Eine weitere Methode der Ermittlung von immateriellen Werten ist das Competence Assessment. Hier stehen zwar die Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter im Vordergrund, aber auch dies ist ein wesentliches Element, welches zum Erfolg oder Misserfolg beiträgt, ohne direkt in Geld gemessen werden zu können.
Üblicherweise werden die Beurteilungskriterien in verschiedenen Kategorien gesammelt und dann jeder Mitarbeiter zu jedem Kriterium auf einer Skala beurteilt.
Solche Beurteilungskriterien können z. B. sein:
- Produktkenntnisse (kennt der Mitarbeiter die Marktleistungen und kann sie kommunizieren?)
- Fachkenntnisse (haben die Mitarbeiter die Kenntnisse für die Leistungen von morgen, z. B. Sensorik/Aktorik, Software, Cloud Computing …)
- Prozesskenntnisse (wissen die Mitarbeiter um die Zusammenhänge der Leistungserbringung und der Stakeholder-Kooperation?)
- Persönliche Fähigkeiten (z. B. Sprachkenntnisse, Organisationsfähigkeit, Führungsstärke, Konfliktfähigkeit)
Im Ergebnis erkennt man durch Zuordnung von Ampelfarben, wo Defizite bei der Erfüllung der Strategie und damit bei der erfolgreichen Arbeit in der Zukunft bestehen.
Schließlich kann auch die Ermittlung von "Opportunitätskosten" hilfreiche Informationen liefern: Was kosten die negativen Konsequenzen, wenn wir die Umwelt NICHT schonen oder die Mitarbeiter nicht schulen etc. – das ist im Prinzip der Ansatz, der dem Handel mit Verschmutzungsrechten zugrunde liegt.
Die gewonnenen Erkenntnisse über immaterielle Werte und damit der strategischen Potenziale bildet eine Basis für die Festlegung der "richtigen" Strategie und des darauf aufgebauten Geschäftsmodells. Auf diese Weise werden negative Potenziale (Risiken/Schwäche) möglichst eliminiert und die positiven Potenziale (Chancen/Stärken) möglichst umfassend genutzt.