Dem bisherigen Verständnis der Unternehmenssteuerung liegen implizit oder explizit mehrere Grundannahmen zugrunde:
- Die Ziele des Unternehmens sind im Einvernehmen aller wesentlichen Stakeholder klar definierbar.
- Der Weg zum Ziel in Form von klaren Maßnahmen ist planbar auf allen Ebenen der Planung (kurz-, mittel-, langfristig, strategisch und operativ).
- Maßnahmen haben eine kausale Wirkung auf die Zielerreichung bzw. die dafür relevanten Kenngrößen.
- Führungskräfte haben die Übersicht, welche Maßnahmen geeignet sind, um konkrete Ziele zu erreichen.
- Die Wirkung von Maßnahmen auf die definierten Kennzahlen ist grundsätzlich messbar.
- Risiken sind erkennbar und quantifizierbar.
Aufgrund mehrerer Umstände und Trends sind diese Anforderungen nicht mehr jederzeit erfüllt. Solche Umstände sind u. a.
- eine zunehmende Komplexität von Situationen im Tagesgeschäft mit der Folge des Wegfalls der Kausalität von Maßnahmen und ihren Wirkungen,
- die hohe Dynamik in der Veränderung von Märkten und Technologien mit der Folge der reduzierten Planbarkeit von längerfristigen Zeiträumen sowie
- der reduzierten Möglichkeit, Vorschauwerte aus Vergangenheitsdaten abzuleiten (Ist-Ist-Vergleiche, Hochrechnungen …).
Dies führt zu mehreren Veränderungen im klassischen Steuerungskreislauf und bei den Methoden der Steuerung in diesem Kreislauf.
4.3.1 Zielsetzung und Planung
Steuerung (in Unternehmen) kann grundsätzlich nur zielorientiert erfolgen, sofern die Ziele einen Sinn ergeben für die Positionierung des Unternehmens auf seinen Märkten. Außerdem setzt jede Steuerung eine Metrik voraus. Deshalb benötigt die Unternehmenssteuerung messbare Ziele.
Traditionell ist der sich daran anschließende Vorgang die Zielplanung, in der der Weg vom Ist zum Ziel in konkreten Maßnahmen geplant wird. Die Bewertung dieser Maßnahmen ergibt das notwendige Budget. Der Output des Planungsprozesses ist damit bisher der Plan und das finanzielle Budget.
Sowohl die Zielsetzung als auch die Zielplanung erfolgen bislang überwiegend auf der Grundlage von Vergangenheitswerten; die Machbarkeit wird darüber verprobt. Je dynamischer das Unternehmensumfeld ist, desto weniger ist auf dieser Grundlage eine wirkliche Planbarkeit der zukünftigen Unternehmensaktivitäten gegeben.
Wie wird sich Planung zukünftig entwickeln? Werden wir überhaupt noch planen? Oder werden Flexibilität und ad- hoc-Entscheidungen die Planung zumindest weitgehend ablösen?
Die Trends bewirken Änderungen in den Planungsprozessen. Wir werden wir auch in Zukunft planen – aber weniger, um zukünftig angestrebte Zustände und den dafür erforderlichen Ressourceneinsatz detailliert zu berechnen, sondern vorwiegend, um zu einer gemeinsamen Willenserklärung zu gelangen, wie wir uns positionieren wollen und welche Ergebnisse wir dafür anstreben. Dabei nehmen die Anforderungen (von Zielgruppen) an die Verfügbarkeit und Auswertung von Informationen zu. Daraus ergibt sich u. a. eine vermehrte Nachfrage nach mobilen Lösungen und Online Services auch bezüglich Planungsinformationen. Für die Planerstellung wird Flexibilität und Pragmatismus wichtiger. Die Interpretation der Daten erfordert einen guten Überblick über das Geschäft sowie die strategische und operative Ausrichtung, auch in Detailbereichen. Hinzu kommen verknüpfte Funktionalstrategien wie CSR- oder Digitalstrategie. Auch hierfür ist Planung unabdingbar, z. B. um die längerfristigen Investitionsentscheidungen zu steuern.
Wird es Änderungen am Planungsprozess geben? Wer plant? Was wird geplant? Ändern sich die Planungsperioden? Und die Planungstiefe?
Planungsprozesse sind bislang wenig durch Automatisierung unterstützt. Hier bieten sich die größten Potenziale (Robotic Process Automation statt manuelle Expertenarbeit, z. B. in der operativen Planung, Budgetierung und im Management Reporting/Berichterstattung), vor allem in Bezug auf die schnellen Entscheidungen. Hinzu kommt die gesteigerte Auswertbarkeit von Informationen bspw. Analysen für die strategische Planung (Markt-, Wettbewerberdaten) oder Bewertung von Risiken durch Analyse-Algorithmen.
Planungsperioden und -tiefe sind dabei – wie bisher – von den Gegebenheiten der Branche abhängig und erfordern eine individuelle Betrachtung. Grundsätzlich werden die Planungszeiträume jedoch kürzer und die Planungstiefe (Granularität) nimmt deutlich ab.
Wenn wir planen, wollen wir auch diesen Plan umsetzen; beschränken wir uns damit nicht zu sehr und verlieren die Flexibilität?
Auch Strategien und Strategieprozesse mit dahinter liegenden Planungen, Businessplänen etc. unterliegen schon immer dem Vorwurf, im Krisenfall zu statisch zu sein und durch das Beharrungsvermögen auf einmal festgelegte Ausrichtungen die Krise im Zweifelsfall noch zu verschärfen. Das ist aber kein Problem der Planung, sondern der beteiligten Führungskräfte. Der flexible Methodeneinsatz (z. B. verstärkter Einsatz von Denken in Szenarien, Rechnen mit Überraschungen) und das fortlaufende Hinterfragen der Unternehmens- und Prozessqualität (z. B. mit EFQM) sind die entscheidenden Faktoren, die...