Für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG a. F. / § 1a AStG 22 müssen folgende 3 (ab 2022: 2) Tatbestandsmerkmale erfüllt sein:

  1. Funktionsverlagerung

    Zuerst wird durch den Verweis auf die Sätze 5 und 9 deutlich, dass eine Funktionsverlagerung vorliegen muss, für die durch einen hypothetischen Fremdvergleich Verrechnungspreise ermittelt wurden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 entfällt diese Beschränkung. Die Preisanpassungsklausel greift bereits, wenn wesentliche immaterielle Werte oder Vorteile Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sind.

  2. Wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter als Gegenstand der Geschäftsbeziehung

    Es müssen "wesentliche" immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Geschäftsbeziehung sein. Bezüglich des Begriffs "wesentlich" kann auch hier auf die Definition des § 1 Abs. 5 FVerlV a. F. abgestellt werden. Somit sind immaterielle WG und Vorteile "wesentlich", wenn ihr Fremdvergleichspreis mehr als 25 % des Gesamtwerts des übergehenden Transferpakets beträgt. Rechtsgrundlage war § 10 FVerlV a. F. Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 sind nach § 1 Abs. 3 FVerlV 22 immaterielle Wirtschaftsgüter in Fällen von Funktionsverlagerungen wesentlich (im Sinne des § 1 Absatz 3b Satz 2 AStG 22), wenn sie für die verlagerte Funktion erforderlich sind und ihr Fremdvergleichspreis insgesamt mehr als 25 % der Summe der Einzelpreise aller Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile des Transferpakets beträgt und dies unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Funktionsverlagerung, die aus den Aufzeichnungen im Sinne des § 2 Satz 2 hervorgehen, glaubhaft ist. D.h. insoweit ergibt sich keine praktische Änderung. § 10 Satz 1 und 3 FVerlV a. F. sind damit hinfällig geworden und in der neugefassen FVerlV 22 nicht mehr enthalten. In der Literatur wird allerdings darauf verwiesen, dass die entsprechende Anwendung der FVerlV 22 für Fragen der Preisanpassungsklausel, d. h. des § 1a AStG keine Grundlage enthält, da die Ermächtigungsnorm für Rechtsverordnungen in § 1 Abs. 6 AStG dies nicht einschließt.[1]

  3. Wesentliche Abweichung zwischen Plan- und Ist-Entwicklung

    Als letztes und immanentes Kriterium ist es notwendig, dass es im Zeitablauf der Funktionsverlagerung zu "erheblichen Abweichungen" der Gewinnentwicklung im Vergleich zu der ursprünglichen zugrunde gelegten Gewinnentwicklung gekommen ist. Eine erhebliche Abweichung liegt dann vor, wenn der zutreffende Verrechnungspreis außerhalb des vom Stpfl. festgelegten Einigungsbereichs liegt. Ab Veranlagungszeitraum 2022 ergibt sich eine Legaldefinition mit § 1a Satz 3 AStG 22. Eine erhebliche Abweichung liegt hiernach vor, wenn der unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinnentwicklung zutreffende Fremdvergleichspreis um mehr als 20 % von diesem Verrechnungspreis abweicht.

    Zur Berechnung der Schwankungsbreite (Risikos der Abweichung) vgl. Thier.[2]

    Hieraus lässt sich folgendes Prüfschema ableiten.[3]

 

[1] Nientimp, in Fuhrmann/Geurts/Nientimp/Wilmanns, AStG, 4. Aufl. 2023, § 1 AStG Rz. 855.
[2] Thier, Die Überprüfung der Anwendungsvoraussetzung der Preisanpassungsklausel, IWB Nr. 18/2012, S. 667.

1.3.1 Vorrang einer vertraglichen, fremdvergleichskonformen Preisanpassungsklausel

Die gesetzliche Preisanpassungsklausel wird auch hinfällig, wenn eine fremdvergleichskonforme vertragliche Preisanpassungsklausel aufgenommen wird. Die Möglichkeit der gesetzlichen einmaligen Anpassung des Verrechnungspreises für die Übertragung eines wesentlichen immateriellen Wirtschaftsguts und Vorteils konnte mit § 9 FVerlV a. F. bei einer erfolgsabhängigen Lizenzgebühr vermieden werden.

Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 ergibt sich dies unmittelbar aus § 1a Satz 1, 2 und 6 Nr. 3 AStG 22.[1]

Dies ist auch die Auffassung der Finanzverwaltung.[2] Allerdings ist es unklar, wie eine Preisanpassungsklausel vertraglich auszugestalten ist, damit sie als „sachgerecht“ i. S. des BMF-Schreibens anerkannt wird. In der Praxis stellen sich insbesondere die Fragen, zu welchem Zeitpunkt (z. B. bereits im zweiten Jahr) und in welcher Häufigkeit (z. B. bereits bei einmaliger Anwendung) ein vertraglich vereinbarter Anpassungsmechanismus greifen sollte.

Die Gesetzesbegründung[3] spricht hier von einer ökonomisch plausiblen Berücksichtigung, die "insbesondere durch extern veröffentlichte Informationen seitens des Unternehmens und auf der Grundlage von ökonomisch anerkannten Prinzipien und Methoden erfolgen, bspw. durch fremdübliche Risikozuschläge oder Risikoabschläge" erfolgen kann. Entsprechende Hinweise ergeben sich auch aus den OECD-Guidelines.[4]

In der Literatur[5] wird zutreffend darauf hingewiesen, dass Preisanpassungsklauseln in den vergleichbaren Fällen von Unternehmenskäufen in der Praxis äußerst selten sind und insbesondere der Überwachungszeitraum nicht bei den gesetzlichen 7 Jahren sondern eher bei 2 bis 5 Jahren liegt. Die Ausnahmeregelung von § 1a Satz 6 Nr. 3 AStG sei wohl so zu verstehen, dass eine sachgerechte Anpassungsregelung auch dann vorliegt, wenn im Hinblick auf wesentliche immaterielle Werte und Vorteile Lizenzvereinbarungen getroffen wurden, die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?