Prof. Dr. Claudia Ossola-Haring
Die Grundidee Indiens als weltliche Nation ist Toleranz gegenüber den Religionen und kulturelle Verschmelzung nicht nur innerhalb Indiens, sondern auch global. Teilweise aber muss man konstatieren, dass es aktuell auch in Indien wie in Europa oder auch Amerika Strömungen gibt, die eben diese Toleranz und gegenseitige Achtung der Kulturen zum eigenen Vorteil politisch unterminieren wollen.
Interkulturelle Kompetenz ist unabdingbar für alle, die in Indien mit Indern Geschäfte machen wollen. Wer meint, er könne in Indien wie in Europa oder den USA nach alten Mustern Geschäftskontakte aufbauen, wird schon in den ersten Schritten scheitern, ebenso wie derjenige, der meint, die Asienerfahrung, die er z. B. in China gesammelt hat, 1:1 auf Indien übertragen zu können. Die Unterschiede sind beträchtlich.
Besonders groß ist der Unterschied der Kulturdimensionen beim Machtdistanzindex (Power Distance Index – PDI). Indien hat wie die meisten asiatischen Länder einen sehr hohen Machtdistanzwert. Werte, die in Indien als normal und selbstverständlich gelten, haben in Deutschland wenig oder überhaupt keinen Stellenwert. Andere Symbole, Helden, Rituale und Werte sind wichtig. Dennoch kommunizieren jeden Tag Inder mit Deutschen und das auch oft sehr erfolgreich.
Die meisten Inder sind extrem beziehungsorientiert. Während man in westlichen Ländern meist erst Geschäfte macht und sich dann nach Feierabend der Beziehungspflege widmet, läuft es in Indien genau anders herum. In Indien macht man Geschäfte, weil man sich kennt. Dabei ist es gar nicht wichtig, ob man einem indischen Geschäftspartner etwas verkaufen will oder etwas von ihm kaufen möchte. Eine vertrauensvolle Geschäfts- und Arbeitsbasis zu schaffen, sollte bei den ersten Schritten in Indien immer im Vordergrund stehen.
Dem überwiegenden Teil indischer Geschäftsleute ist es wichtig, langfristige(!) Geschäfte mit einer Win-Win-Situation für beide Geschäftspartner zu machen, denn Indien ist eine Nation, die eine langfristige Zukunftsorientierung (Long-Term-Orientation – LTO oder Future Orientation) aufweist.
Langzeitorientierung |
Kurzzeitorientierung |
- Respekt vor Tradition
- Persönliche Stabilität steht im Vordergrund
- Status ist wichtig
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- Respekt vor Gegebenheiten
- Persönliche Anpassungsfähigkeit ist wichtig
- Bereitschaft, einem Zweck zu dienen, ist wichtig
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Abb. 1: Die wesentlichen Unterschiede zwischen Ländern mit Lang- bzw. Kurzzeitorientierung
Der Aufbau dieser Beziehungen dauert zwar lange, doch um langfristig in Indien Fuß fassen zu können, ist es unumgänglich, in diesen Beziehungsaufbau zu investieren.