Leitsatz
Wohnungen, deren einzelne Zimmer i.d.R. für 12 Monate an obdachlose Suchtkranke vermietet werden, um sie auf ein selbstständiges Wohnen vorzubereiten, dienen der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken i.S.d. § 3 Abs. 1 InvZulG 1999.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 InvZulG 1999
Sachverhalt
Die Eigentümerin eines Gebäudes im Fördergebiet vermietete zwei Wohnungen an einen Drogenhilfe-Verein, der die Zimmer an obdachlose Suchtkranke für längstens 12 Monate weitervermietete. Die Bewohner hatten Zimmerschlüssel und waren verpflichtet, an pädagogischen Maßnahmen teilzunehmen.
Entscheidung
Der BFH bejahte eine begünstigte Überlassung zu Wohnzwecken. Denn die Wohnungen waren für eine eigenständige Haushaltsführung geeignet, und die Bewohner hatten – trotz der Mitbenutzungsrechte – auch die tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft.
Hinweis
Es handelt sich um eine Parallelentscheidung zu dem Urteil vom 15.12.2005, III R 45/04 (BFH-PR 2006, – 293). Dort hat der BFH die entgeltliche Überlassung zu Wohnzwecken i.S.v. § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 bei Überlassung von Pflegezimmern in einem Seniorenpflegeheim bejaht, obwohl die Bewohner Bad/WC nur gemeinsam nutzen konnten und sie zwar in ihren Zimmern eine eigene Kochgelegenheit hätten aufstellen und ihre Mahlzeiten in einer Gemeinschaftsküche hätten zubereiten können, sie aber regelmäßig vollumfänglich verpflegt und betreut wurden.
Im Streitfall ging es um die Überlassung von Zimmern für längstens 12 Monate an obdachlose Suchtkranke, die eine Entwöhnungsbehandlung durchgeführt hatten oder auf eine Therapie warteten. Der BFH geht auch hier davon aus, dass es für das Merkmal "Überlassung zu Wohnzwecken" ausreicht, wenn die Räume eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichen und die Bewohner die tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft über die Räume ausüben.
Die Räume müssen als Mindestausstattung Heizung, Küche, Bad und Toilette enthalten. Sie müssen jedoch nicht die Merkmale des Wohnungsbegriffs im bewertungsrechtlichen Sinn erfüllen. Die jeweils überlassenen Zimmer müssen daher nicht für sich abgeschlossen und mit den notwendigen Nebenräumen ausgestattet sein. Es reicht aus, dass die Bewohner durch die Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume einen eigenen Haushalt führen können. Denn der Zweck, den Mietwohnungsbestand zu erhalten, wird auch bei der Vermietung einer Wohnung an mehrere Untermieter erreicht.
Der therapeutische Zweck steht der Überlassung zu Wohnzwecken nicht entgegen. Denn die Absicht des Gesetzgebers, die Modernisierung des sanierungsbedürftigen Mietwohnungsbestands zu fördern, wird unabhängig davon erreicht, ob mit der Vermietung über die Überlassung von Wohnraum hinausgehende Ziele verfolgt werden.
Anders ist es nur bei Räumen, die nur für vorübergehende Aufenthalte bestimmt sind, wie z.B. bei Ferienwohnungen, Hotel- und Sanatoriumszimmern. Bei einer Überlassung von länger als sechs Monaten dürfte nicht mehr von einem nur vorübergehenden Aufenthalt gesprochen werden. Entscheidend dafür ist nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung, sondern die Absicht des Vermieters. Für eine dauerhafte Unterbringung kann es auch sprechen, wenn die Bewohner für diese Zeit keine andere Wohnung haben.
Die tatsächliche und rechtliche Sachherrschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Bewohner bestimmte Personen, z.B. rückfällige Suchtkranke, nicht empfangen dürfen. Denn sie lässt das unbeschränkte Zutrittsrecht der Bewohner zu ihrem Zimmer sowie ihr Recht, über den Zutritt anderer als der ausgeschlossenen Personen zu bestimmen, unberührt. Ebenso wird die Sachherrschaft auch nicht durch die gemeinsame Nutzung von Küche, Bad und WC aufgehoben. Denn eine solche gemeinsame Nutzung ist nach der Verkehrsanschauung bei einer Wohngemeinschaft, in der jeder die Sachherrschaft über den von ihm bewohnten Raum innehat, üblich.
Anders ist es nur bei einer "Gemeinschaftsunterkunft zur fremdbestimmten Unterbringung", z.B. für Asylbewerber, wenn den Bewohnern Plätze in den Wohnungen zugewiesen werden, sie also nicht selbst über ihren Aufenthalt bestimmen können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.12.2005, III R 27/05