Leitsatz
1. Nach den auch im Investitionszulagenrecht anwendbaren ertragsteuerlichen Grundsätzen kann ein Gebäude in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufgeteilt werden, wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen.
2. Besteht ein baulich einheitliches Gebäude nach diesen Grundsätzen aus verschiedenen selbstständigen Wirtschaftsgütern, dann ist jedes Wirtschaftsgut im Hinblick auf den Zeitpunkt der Fertigstellung gesondert zu würdigen.
Normenkette
§ 2 Abs. 4 Satz 6 InvZulG 1999
Sachverhalt
Der Kläger erhielt im Februar 2000 die Genehmigung, für seinen Tischlereibetrieb u.a. ein Werkstatt- und Lagergebäude sowie einen Spänebunker zu errichten. Die Bauarbeiten zogen sich in die Länge: Ende 2004 standen erst das Kellergeschoss des Werkstattgebäudes und der Spänebunker.
Am 1.7.2004 kam es zu einer Vereinbarung, wonach der Bau des Erd- und des Dachgeschosses des Werkstattgebäudes vom Sohn des Klägers, der ebenfalls eine Tischlerei betreibt, als neuem Bauherrn ausgeführt werden sollte. Der vom Kläger begonnene Neubau (Kellergeschoss) sollte kostenlos von der Firma des Sohnes "genutzt" werden. Erd- und Obergeschoss vermietete der Kläger ab dem 1.7.2004 an seinen Sohn.
Nach einer Ortsbesichtigung im März 2006 versagte das FA die für 1999 bis 2003 gewährte Zulage für die Kosten des Werkstattneubaus. Das FA war, wie auch das später erfolglos vom Kläger angerufene FG Thüringen (Urteil vom 13.4.2011, 1 K 615/07, Haufe-Index 2812420, EFG 2011, 2011), der Auffassung, dass die Investition nicht bis zu dem im InvZulG 1999 genannten Stichtag, dem 1.1.2005, abgeschlossen worden sei. Deshalb müsse der Kläger die auf die Teilherstellungskosten gewährte Zulage zurückzahlen.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies zurück. Im zweiten Rechtsgang ist u.a. zu klären, wann die ursprüngliche Nutzungskonzeption geändert wurde, wie das neue Konzept aussah (einheitliche Fremdnutzung?) und ob das Kellergeschoss in 2004 fertiggestellt wurde.
Hinweis
1. Die Zulagenförderung hängt dem Grunde oder der Höhe nach vielfach davon ab, dass die Investition vor einem bestimmten Stichtag abgeschlossen wird (z.B. § 6 i.V.m. § 4 InvZulG 2010). Zieht sich der Vorgang in die Länge, was bei Bauten, aber auch bei umfangreichen Maschinenanlagen nicht selten vorkommt, kann der Zeitpunkt des Investitionsabschlusses davon abhängen, ob das "Ganze" ein einheitliches Wirtschaftsgut bildet oder ob es aus verschiedenen Wirtschaftsgütern besteht.
2. Ein Betriebsgebäude ist fertiggestellt (vgl. § 9a EStDV), wenn die wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind und das Gebäude dem Betrieb zur Verfügung steht. Ein Gebäude wird bekanntlich in ebenso viele Wirtschaftsgüter aufgeteilt, wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Während der Bauphase wird (jedenfalls zulagenrechtlich) auf die vorgesehene Nutzung abgestellt. Besteht ein einheitliches Gebäude danach aus verschiedenen selbstständigen Wirtschaftsgütern, dann ist jedes von ihnen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Fertigstellung gesondert zu würdigen. Handelt es sich bei dem Gebäude aber nur um ein einziges einheitliches Wirtschaftsgut, weil es z.B. ausschließlich für eigenbetriebliche Zwecke bestimmt ist, dann ist es insgesamt noch nicht fertiggestellt, bis die einheitliche Baumaßnahme insgesamt im Wesentlichen abgeschlossen ist, also u.a. alle Geschosse stehen.
3. Formelle Hürden bestehen in diesem Zusammenhang nicht: Der Investitionszulagenantrag muss die einzelnen Wirtschaftsgüter so bezeichnen, dass ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist. Wird ein zu errichtendes Gebäude als solches bezeichnet, so sind damit auch diejenigen Gebäudeteile mitbezeichnet, die geeignet sind, nach Fertigstellung des Gesamtgebäudes als rechtlich eigenständige Wirtschaftsgüter qualifiziert zu werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.12.2012 – III R 40/11