Dipl.-Finw. (FH) Wilhelm Krudewig
Der Unternehmer muss sich die Ist-Versteuerung vom Finanzamt genehmigen lassen. Die Genehmigung ist immer erforderlich, auch wenn der Unternehmer ausschließlich freiberufliche Einkünfte erzielt. Der Antrag an das Finanzamt ist weder an eine bestimmte Form und noch an eine Frist gebunden. Der Unternehmer kann seinen Antrag auch durch schlüssiges Verhalten stellen, indem er seine Umsätze – erkennbar für das Finanzamt – nach vereinnahmten Entgelten in der Steuererklärung ausweist.
So hat der BFH entschieden, dass der Antrag auf die Ist-Besteuerung auch konkludent gestellt werden kann. Dabei muss der Steuererklärung deutlich zu entnehmen sein, dass die Umsatzsteuer auf der Grundlage vereinnahmter Entgelte erklärt worden ist. Das kann sich laut BFH aus einer eingereichten Einnahmen-Überschussrechnung ergeben. Hat der Steuerpflichtige einen hinreichend deutlichen Antrag auf Genehmigung der Ist-Besteuerung gestellt, hat die antragsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer den Erklärungsinhalt, dass der Antrag genehmigt worden ist.
In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 18.11.2015 festgestellt, dass ein hinreichend deutlicher Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige in den von ihm eingereichten Voranmeldungen und Jahreserklärungen die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet hat und dies für das Finanzamt erkennbar war.
Besonderheit bei Antrag auf Ist-Vesteuerung aufgrund der Umsatzsteuer-Erklärung
Beanstandet das Finanzamt diese Steuererklärung nicht, ist die Ist-Versteuerung genehmigt.
Schriftlicher Antrag empfehlenswert
Vorsicht! Es ist besser, wenn der Unternehmer die Genehmigung schriftlich beantragt. Nur dann besteht die Sicherheit, dass das Finanzamt den Antrag genehmigt. Auch wenn der Antrag nicht an eine Frist gebunden ist, sollte die Ist-Versteuerung möglichst umgehend beim Finanzamt beantragt werden. Je früher, desto besser
Sobald jemand einen Gewerbebetrieb gründen, erhält das Finanzamt automatisch eine Kopie der Gewerbeanmeldung. Anschließend übersendet das Finanzamt einen Fragebogen an den Existenzgründer, in dem abgefragt wird, ob er Kleinunternehmer ist und wie er seine Umsätze versteuert. Bereits hier besteht die Möglichkeit, die Ist-Versteuerung zu beantragen.
Freiberufler melden ihre Tätigkeit nicht bei der Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung an. Es ist daher sinnvoll, wenn Freiberufler gleichzeitig mit der ersten Umsatzsteuervoranmeldung einen Antrag auf Genehmigung der Ist-Versteuerung stellen und diese bereits anwenden.
Genehmigung der Ist-Versteuerung ist zu empfehlen
Wenn die Ist-Versteuerung einmal genehmigt ist, vermeidet der Unternehmer, dass ein Betriebsprüfer sein "Mehrergebnis" aufbessert, indem er am Ende des Prüfungszeitraums nur wegen fehlender Genehmigung die Umsatzbesteuerung von "Ist" auf "Soll" umstellt.
Das Finanzamt darf den Antrag nicht ablehnen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Der Zinsvorteil kann kein Grund für eine Ablehnung sein, weil dieser automatisch mit der Ist-Versteuerung verbunden ist. Sobald der Grenzwert unterschritten wird, kann ein Antrag gestellt werden. Ein Musterantrag ist am Ende des Beitrags abgedruckt.
Nur wenn die Zinsvorteile bewusst über einen längeren Zeitraum beansprucht werden, ist das Finanzamt berechtigt, die Genehmigung zu verweigern. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Unternehmer gegenüber einer nahestehenden Person Umsätze erbringt, Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausstellt, aber die Rechnung über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum nicht bezahlt wird.
Bewusste Verzögerung der Zahlung
Der Unternehmer und sein Ehegatte haben jeweils einen eigenen Betrieb. Der Unternehmer stellt seinem Ehegatten Leistungen in Rechnung, aus denen dieser sofort den Vorsteuerabzug in Anspruch nimmt. Der Ehegatte überweist die Rechnungsbeträge erst nach 2 Jahren, sodass der Unternehmer aufgrund der Ist-Versteuerung die Umsatzsteuer erst nach 2 Jahren zahlt.
Ohne Genehmigung sind die Umsätze nach vereinbarten Entgelten zu versteuern. In der Baubranche werden hohe Rechnungen oftmals erst gebucht, wenn der Kunde die Zahlung geleistet hat. Auf diese Weise wird – entgegen der gesetzlichen Regelung – vermieden, dass der Unternehmer mit der Umsatzsteuerzahlung in Vorlage geht. Ohne Genehmigung ist es allerdings nicht zulässig, sich den Liquiditätsvorteil der Ist-Besteuerung zu verschaffen.