Prof. Dr. Gerrit Brösel, Prof. Dr. Christoph Freichel
4.4.7.1 Ansatz und Ausweis
Rz. 110
Vorbemerkungen
Die Entwicklung von Software ist im Regelfall mit hohen Kosten verbunden. Für den Hersteller stellt sich die Frage, wie diese Kosten bilanziell zu behandeln sind, insbesondere, ob es sich um aktivierungspflichtige Herstellungskosten für immaterielle Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens oder um steuerrechtlich nicht aktivierungsfähige bzw. handelsrechtlich dem Aktivierungswahlrecht unterliegende Herstellungskosten für immaterielle Wirtschaftsgüter bzw. Vermögensgegenstände des Anlagevermögens handelt. Im Hinblick auf das Anlagevermögen kommt es steuerrechtlich – bzw. soweit sich handelsrechtlich im Rahmen des Wahlrechts gegen die Aktivierung entschieden wird – zur unmittelbaren Aufwandsverrechnung, die das Ergebnis des Unternehmens erheblich belasten und deshalb – zumindest steuerrechtlich – die Suche nach legalen Ausweichgestaltungen auslösen kann.
Rz. 111
Grundsätzlich sind Aufwendungen für die Softwareentwicklung aktivierungsfähig, wenn sie zur Entstehung eines Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts geführt haben und die Aktivierung nicht durch das steuerrechtliche Verbot des § 5 Abs. 2 EStG ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf das Kriterium "beabsichtigte Verwendung der Software" kann bei der Softwareherstellung unterschieden werden zwischen – jeweils fertiggestellter und nicht fertiggestellter –:
- Software zur internen Verwendung (beim Hersteller),
- auftragsbezogen entwickelter Software sowie
- Software, die zur anonymen Vermarktung bestimmt ist.
Rz. 112
Zum Einsatz im Herstellungsbetrieb bestimmte Software
Im Fall von zum Einsatz im Herstellungsbetrieb bestimmter Software handelt es sich um selbst geschaffene Software, die dem Betrieb auf Dauer dienen soll, also dem Anlagevermögen zuzuordnen ist. Die Aktivierung der damit verbundenen Ausgaben scheitert jedoch steuerrechtlich an § 5 Abs. 2 EStG. Handelsrechtlich besteht diesbezüglich das Ansatzwahlrecht gem. § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB, wobei hier wiederum die Stetigkeit bei der Anwendung der Ansatzmethoden zu berücksichtigen ist (siehe bereits Rz. 66).
Rz. 113
Vor dem Hintergrund der vorstehend beschriebenen – vor allem steuerrechtlich – beschränkten Möglichkeiten zur Aktivierung der (Forschungs- und) Entwicklungskosten von Software werden in der Literatur Gestaltungsmöglichkeiten untersucht (und von Kaufleuten praktiziert), die eine Aktivierung erlauben. So könnte beispielsweise die rechtliche Verselbstständigung der Softwareentwicklung (und ggf. der Softwarevermarktung) dergestalt erfolgen, dass ein weiteres rechtlich selbstständiges Unternehmen, z. B. ein – teilweise ausschließlich hierfür gegründetes – Tochterunternehmen, eingeschaltet wird. Dabei tritt das (agierende) Vermarktungsunternehmen auf der Basis eines Werkvertrags als Auftraggeber gegenüber dem ("eingeschalteten") Entwicklungsunternehmen auf. Bei dieser Konstellation kann das Entwicklungsunternehmen die Herstellungskosten für die Software (im Umlaufvermögen) aktivieren, weil die Entwicklungen unmittelbar vom Vermarktungsunternehmen erworben werden sollen. Der damit verbundene entgeltliche Erwerb erfordert schließlich auch beim Vermarktungsunternehmen die Aktivierung. Voraussetzung ist in diesem Fall jedoch der Nachweis der Werthaltigkeit der Software. Im Rahmen der Konzernrechnungslegung sind diesbezüglich allerdings – zumindest handelsrechtlich – Konsolidierungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Rz. 114
vorläufig frei
Rz. 115
Auftragsbezogen erstellte Software
Auftragsbezogene, bereits fertiggestellte, aber noch nicht ausgelieferte Software ist regelmäßig selbstständig verwertbar und bewertungsfähig. Sie erfüllt damit grundsätzlich die Voraussetzungen eines immateriellen Vermögensgegenstands und ist im Umlaufvermögen auszuweisen. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Auftraggeber das Eigentum an der Software übertragen oder mangels Übertragbarkeit des Eigentums infolge des Urheberrechtsschutzes lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt wird.
Rz. 116
Schließlich ist im Hinblick auf die Aktivierung des immateriellen Vermögensgegenstands "Software" zu überprüfen, ob beim Hersteller die Absicht zur einmaligen oder zur mehrmaligen Verwertung dominiert. Eine Aktivierung im Umlaufvermögen erfolgt, wenn eine einmalige Verwertung geplant ist. Hierfür spricht, dass dem Auftraggeber sowohl die Ursprungsversion der Software, der sog. Quellcode, als auch der Objektcode, der die Lesbarkeit des Programms ermöglicht, überlassen wird.
Wird hingegen der Quellcode zurückgehalten, deutet dies grundsätzlich auf eine mehrfache Verwertungsabsicht hin. Dies kann jedoch auch zum Schutz des unternehmenseigenen Wissens von Bedeutung sein, was also nicht zwingend zur Zuordnung zum Anlagevermögen führen muss. Entscheidend sollte schließlich die Zweckbestimmung, also der Wille des Kaufmanns, sein. Selbst wenn der Hersteller die Software auch selbst nutzen möchte, kann die Zuordnung zum Umlaufvermögen obligatorisch sein, sofern die "Eigennutzung im Vergleich zum Verkauf unbedeutend ist". Ist darauf ...