Leitsatz
Wird ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt, mindert der Wert des Nießbrauchsrechts die Bereicherung des Bedachten. Der Jahreswert des Nießbrauchsrechts ist unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln, wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden.
Normenkette
§ 10 Abs. 1, § 12 ErbStG, § 14, § 15, § 16 BewG
Sachverhalt
Der Kläger erhielt im Jahr 2011 von seinen Eltern verschiedene bebaute Grundstücke unter dem Vorbehalt eines auf Lebensdauer des Längstlebenden geltenden Nießbrauchs geschenkt. Der Kläger übernahm die im Übertragungsvertrag genannten, auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten in dinglicher und persönlicher Hinsicht. Die Verpflichtung der Nießbraucher, im Innenverhältnis die Tilgungs‐ und Zinsleistungen für die übernommenen Verbindlichkeiten zu erfüllen, sollte durch die Schuldübernahme nicht berührt werden.
Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die freigebigen Zuwendungen der Eltern gegen den Kläger die Belastung aus den Nießbrauchsrechten steuermindernd, nicht aber die übernommenen Darlehensverbindlichkeiten, da insoweit Zins- und Tilgungsleistungen weiterhin von den übertragenden Eltern erbracht würden.
Die Klage, mit der der Kläger geltend machte, die Jahreswerte der Nießbrauchsrechte seien ohne die Einbeziehung von Schuldzinsen zu berechnen, blieb erfolglos (FG Münster, Urteil vom 26.11.2015, 3 K 2711/13 Erb, Haufe-Index 9108999, EFG 2016, 493).
Entscheidung
Die Revision hatte im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg. Der BFH entschied, dass das FA in beiden Bescheiden die Jahreswerte des Nießbrauchs aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen zutreffend berechnet hat; denn seine Eltern haben als Nießbraucher die Tilgungs- und Zinsleistungen für diese Verbindlichkeiten während der Dauer des Nießbrauchs im Innenverhältnis zu erfüllen.
Hinweis
Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Bewertung eines Vorbehaltsnießbrauchs, der nach der neuen Rechtslage die Bereicherung des Bedachten mindert.
1. Für Erwerbsvorgänge ab 1.1.2009 ist der bereicherungsmindernde Abzug des Vorbehaltsnießbrauchs, der eine sog. Nutzungs- oder Duldungsauflage ist, nicht mehr ausgeschlossen. Die Belastung durch den Vorbehaltsnießbrauch mindert die Bereicherung des Bedachten. § 25 Abs. 1 ErbStG a.F., wonach der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustanden, ohne Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert wurde und die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfiel, bis zu deren Erlöschen zinslos gestundet wurde, wurde durch das ErbStRG vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3018) aufgehoben und gilt nur noch für Erwerbsvorgänge, für die die Steuer bis zum 31.12.2008 entstanden ist.
2. Die Bewertung der bei einer Grundstücksschenkung vorbehaltenen Nießbrauchsrechte richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG.
a) Der Kapitalwert lebenslänglicher Nutzungen ist nach § 14 Abs. 1 BewG mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Diese Bewertung erfordert eine Schätzung. Anhaltspunkt für den in der Zukunft voraussichtlich erzielbaren Betrag können dabei die in den letzten Jahren erzielten Einkünfte sein.
b) Bei der Ermittlung des Werts von Nießbrauchsrechten an Grundstücken ist zunächst von den Einnahmen aus VuV auszugehen. Zur Berechnung des Jahreswerts des Nießbrauchs sind sodann die vom Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen abzuziehen.
Das gilt auch für die vom Nießbraucher nach § 1047 BGB im Innenverhältnis zum Grundstückseigentümer zu zahlenden Zinsen. Der Nießbraucher ist gemäß § 1047 BGB dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs u.a. diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden. Dem Nießbraucher steht nur der Reinertrag des seiner Nutzung unterworfenen Wirtschaftsgutes zu. Die vom Nießbraucher zu zahlenden Schuldzinsen mindern den Jahreswert des ihm zustehenden Nießbrauchsrechts.
c) Der so ermittelte Wert des Nießbrauchs mindert die Bereicherung des Bedachten einer Grundstücksschenkung. Die Schuldzinsen, die der Bedachte trotz Übernahme der Verbindlichkeiten nicht zu tragen hat, sind im Hinblick auf das bei einer Schenkung maßgebliche Bereicherungsprinzip bei der Ermittlung des Jahreswerts nicht – abweichend von der Ermittlung beim Nießbraucher – außer Acht zu lassen. Der Bedachte ist vielmehr dadurch bereichert, dass er die Zinszahlungen für die übernommenen Verbindlichkeiten nicht zu leisten hat, weil der Schenker als Nießbraucher des zugewendet...