Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Der EuGH hatte 2015 eine in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bestehende Gesellschaft unter bestimmten Bedingungen als "öffentliche Einrichtung" angesehen und damit nicht den Regelungen der Umsatzsteuer unterworfen. Die Finanzverwaltung äußert sich jetzt erstmalig zu diesem Urteil und verbindet dieses mit den Neuregelungen zu § 2b UStG.
Die rechtliche Problematik
Grundsätzlich ist die Unternehmereigenschaft unabhängig von der Rechtsform, in der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeführt wird. Wird eine Person, ein Zusammenschluss oder eine Gesellschaft selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht wirtschaftlich tätig, liegt Unternehmereigenschaft vor. Bestimmte Ausnahmen ergeben sich jedoch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR), die z. B. im hoheitlichen Bereich nicht unternehmerisch tätig sind, soweit keine Wettbewerbsverzerrung dadurch eintritt.
Gerade die Frage der möglichen Wettbewerbsverzerrung hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen bei den jPdöR geführt. Aus diesem Grund sind mit erstmaliger Wirkung zum 1.1.2017 Neuregelungen für jPdöR in § 2b UStG eingeführt worden, die u. a. auch die Frage der Wettbewerbsverzerrung systematisch abgrenzen. Soweit jPdöR bis Ende 2016 einen Antrag gestellt hatten, können sie die bisherigen Regelungen des § 2 Abs. 3 UStG noch (derzeit) befristet bis 31.12.2020 anwenden.
Der EuGH hatte sich in einem Fall mit einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft beschäftigen müssen, die an eine Gebietskörperschaft gemäß Programm-Verträgen Dienstleistungen im Bereich der Planung und Verwaltung des regionalen Gesundheitsdienstes erbrachte. Zu prüfen war dabei vom EuGH, ob diese Tätigkeit als unternehmerische Betätigung der Umsatzsteuer unterfällt oder unter Anwendung des Art. 13 MwStSystRL nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer fällt. Der EuGH hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass die Leistungen nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer fallen, wenn die Gesellschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts einzustufen ist und wenn sie die betreffende Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübt. Darüber hinaus darf dies nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen.
Wenn es sich bei der Tätigkeit einer zivilrechtlich organisierten Gesellschaft um eine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL handelt, kann diese Gesellschaft auch bei Abschluss von Verträgen mit jPdöR und der Übernahme bestimmter öffentlicher Aufgaben nicht unter Art. 13 MwStSystRL fallen. In diesem Fall liegt dann eine unternehmerische Betätigung vor.
Auch der BFH hat unter Bezugnahme auf diese Entscheidungen die Frage als geklärt angesehen, unter welchen Bedingungen eine juristische Person des Privatrechts eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sein kann. Soweit eine juristische Person des Privatrechts aufgrund eines Vertrags zwischen ihr und einer Gemeinde bestimmte öffentliche Aufgaben wahrnimmt, liegt unter den weiteren Bedingungen eine unternehmerische Tätigkeit vor.
Eine Anwendung der Grundsätze für Einrichtungen der öffentlichen Gewalt kann nur dann in Frage kommen, wenn die juristische Person des Privatrechts in die öffentliche Verwaltung eingegliedert ist. Alleine die Übernahme von Tätigkeiten der öffentlichen Hand begründet eine solche Eingliederung nicht.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung hat zu den Urteilen von EuGH und BFH Stellung bezogen und stellt grundsätzlich fest, dass die Vorgaben des Art. 13 MwStSystRL durch die Neuregelung des § 2b UStG in deutsches Recht umgesetzt sind. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich eine juristische Person des privaten Rechts auf die Rechtsprechung des EuGH berufen und wie eine jPdöR behandelt werden. Voraussetzungen dafür sind:
- die juristische Person ist eine Einrichtung des öffentlichen Rechts und
- die Vornahme der Tätigkeiten erfolgt im Rahmen der öffentlichen Gewalt.
Ausführlich nimmt die Finanzverwaltung dazu Stellung, unter welchen Bedingungen diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen werden können. Eine juristische Person des Privatrechts kann nur dann als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden, wenn sie in die öffentliche Verwaltung eingegliedert ist. Dazu müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die juristische Person muss durch Bundes- oder Landesgesetz oder Rechtsverordnung errichtet worden sein. Die juristische Person muss hoheitliche Befugnisse innehaben und der Aufsicht einer jPdöR unterstehen.
In den gesetzlichen Grundlagen müssen die Eingliederung und die Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben geregelt sein. Einzelheiten können aber auch in anderen öffentlich-rechtlichen Regelungen bestimmt sein.
- Die juristische Person steht zeitlich unbegrenzt im Eigentum einer einzelnen jPdöR. Es muss sich um eine unmittelbare Beteiligung handeln.
- Die Verträge zwischen der jPdöR und der des privaten Rechts müssen ausschließlich dem ...