Dipl.-Finanzwirt Helmut Bur
Leitsatz
Die bei Überentnahmen gebotene Gewinnkorrektur nach § 4 Abs. 4a EStG bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit führt nicht zu einer Zuordnung nichtabziehbarer Schuldzinsen auf Betriebsschulden zu den Einkünften aus einer privaten Kapitalanlage, in die von einem Betriebseinnahmenkonto Geld geflossen ist. Ein Werbungskostenabzug nicht berücksichtigter Zinsen entfällt.
Sachverhalt
Streitig ist, ob nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig sind. Der Steuerpflichtige ist als Arzt freiberuflich tätig. Daneben erzielte er Einnahmen aus Kapitalvermögen, die im Wesentlichen aus der Anlage von Festgeldern bei einer Bank resultieren. Von den Zinserträgen (insgesamt 10.684 DM) brachte der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung einen Betrag von 9.228 DM als Werbungskosten in Abzug. Das Finanzamt ermittelte im Rahmen der Gewinnermittlung der Arztpraxis einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4 a EStG i.H.v. 8.643,96 DM. Der Steuerpflichtige trug vor, diese Zinsen stünden im ursächlichen Zusammenhang mit Zinseinkünften, denn die Betriebseinnahmen aus der Arztpraxis gingen auf ein separates Konto, von dem er private Festgeldanlagen tätige. Es habe dadurch Überentnahmen von insgesamt 177.399,40 DM gegeben. Die Übereinnahmen seien letztlich durch Entnahmen zugunsten der Festgeldanlage entstanden, die angefallenen Schuldzinsen demnach als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG Köln kann der Steuerpflichtige mit dem Begehren, den bei der Gewinnfeststellung ermittelten Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerlich in Abzug zu bringen, nicht durchdringen. Die bei Überentnahmen gebotene Gewinnkorrektur nach § 4 Abs. 4a EStG führt nicht dazu, dass der wirtschaftliche Zusammenhang bestimmter Schuldzinsen mit der betrieblichen - hier freiberuflichen - Tätigkeit gelöst wird. Die Schuldzinsen bleiben ungeachtet der Frage, inwieweit sie steuerlich abzugsfähig sind, dem Grunde nach Betriebsausgaben. Durch die Gewinnhinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG findet keine Umqualifizierung der im Betrieb entstandenen Schulden in Privatschulden statt.
Entgegen der Rechtsansicht des Steuerpflichtigen ist der genaue Verwendungszweck der jeweiligen Privatentnahmen ohne steuerliche Bewandtnis. Der Hinzurechnungsbetrag wird stichtagsbezogen mit einem gesetzlich festgelegten Prozentsatz typisierend ermittelt, ohne dass dadurch die realen Finanzströme und tatsächlich abgeflossenen Schuldzinsen im Einzelnen abgebildet und ein ganz konkreter Zinsaufwand aus der betrieblichen Sphäre ausgegliedert wird. Demgemäß lässt sich der Kürzungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG auch keiner bestimmten anderen Einkunftsart zurechnen.
Hinweis
Bei der Anwendung der Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG ist grundsätzlich eine zweigeteilte Prüfung vorzunehmen: Auf einer ersten Stufe ist zunächst zu untersuchen, ob die geltend gemachten Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind. Entscheidend hierfür ist die tatsächliche Verwendung der die Schuldzinsen auslösenden Darlehen. Sind diese betrieblich veranlasst, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob die geltend gemachten Schuldzinsen auf Überentnahmen beruhen und daher nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar sind (vgl. dazu BFH, Urteil v. 21.9.2005, X R 40/02, BFH/NV 2006 S. 512 m.w.N.). Anknüpfungspunkt der Vorschrift ist nicht die Frage der betrieblichen Veranlassung der Schuldzinsen, sondern die Tatsache, dass Überentnahmen getätigt werden und dass das hierdurch dem Betrieb entzogene Kapital durch - die die Schuldzinsen auslösenden - Fremdmittel ausgeglichen werden muss. Hieran knüpft die gesetzgeberische Grundentscheidung an, die hierdurch veranlassten Schuldzinsen - mögen sie auch betrieblich veranlasst sein - vom Abzug auszuschließen. Da es sich bei den nach § 4 Abs. 4 a EStG nicht abzugsfähigen Schuldzinsen um durch den Betrieb veranlasste Aufwendungen (Betriebsausgaben) handelt, ist eine Berücksichtigung außerhalb der betrieblichen Sphäre nicht möglich.
Eine Zuweisung des Hinzurechnungsbetrags auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen würde nach Auffassung des FG Köln letztlich auf die Besteuerung eines gedachten (fiktiven) Sachverhalts hinauslaufen. Mit dem für die Berücksichtigung von Schulden und Schuldzinsen maßgeblichen Kriterium der tatsächlichen Verwendung der Zahlungsmittel wäre dies nicht vereinbar. Im Ergebnis wurde diese Rechtsauffassung bereits vom FG Köln sowie vom FG Niedersachsen vertreten.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 06.11.2008, 12 K 6390/04