Dipl.-Finw. (FH) Wilhelm Krudewig
Erfasst der Unternehmer seine Einnahmen mithilfe eines elektronischen Kassensystems, muss er seit dem 1.1.2020 jeden Geschäftsvorfall einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzeichnen. Das alleine reicht jedoch noch nicht aus, weil gemäß § 146a Abs. 2 AO über jeden Verkauf ein Beleg erstellt und dem Kunden zur Verfügung gestellt werden muss (Belegausgabepflicht). Das gilt selbst dann, wenn der Kunden keinen Beleg haben will.
Eine elektronische Bereitstellung des Belegs bedarf der Zustimmung des Kunden. Die Zustimmung bedarf dabei keiner besonderen Form und kann auch konkludent erfolgen. Ein elektronischer Beleg gilt als bereitgestellt, wenn der Kunde die Möglichkeit hat, den elektronischen Beleg entgegenzunehmen. Der elektronische Beleg ist in jedem Fall zu erstellen, auch wenn der Kunde ihn nicht entgegennimmt. Allein die Sichtbarmachung eines Beleges an einem Bildschirm des Unternehmers (Terminal/Kassendisplay) reicht nicht aus. Der Kunde muss die Möglichkeit haben, den Beleg nach Abschluss des Vorgangs elektronisch entgegenzunehmen.
Die elektronische Belegausgabe muss in einem standardisierten Datenformat erfolgen (z. B. JPG, PNG oder PDF). Der Empfang und die Sichtbarmachung eines elektronischen Belegs muss auf dem Endgerät des Kunden mit einer kostenfreien Standardsoftware möglich sein. Bestimmte technische Vorgaben gibt es nicht. Es ist z. B. zulässig, wenn der Kunde unmittelbar über eine Bildschirmanzeige (z. B. in Form eines QR-Codes) den elektronischen Beleg entgegennehmen kann. Eine Übermittlung kann auch z. B. als Download-Link, per Near-Field-Communication (NFC), per E-Mail oder direkt in ein Kundenkonto erfolgen.
Aber! Unternehmer können sich von der Belegausgabepflicht befreien lassen, wenn es sich um den Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen handelt. Unternehmer können den Antrag bei ihrem zuständigen Finanzamt stellen. Das Finanzamt muss den Unternehmer nach pflichtgemäßem Ermessen von der Belegausgabepflicht befreien. Nach § 148 AO (auf den in § 146a Abs. 2 AO verwiesen wird) ist Voraussetzung, dass die Einhaltung der durch die Steuergesetze begründeten Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Härten mit sich bringt und die Besteuerung durch die Erleichterung nicht beeinträchtigt wird. Der Verzicht auf die Belegausgabepflicht kann sogar rückwirkend bewilligt werden.
Antrag auf Befreiung von der Belegausgabepflicht stellen
Verkaufen Unternehmer Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen, wie das z. B. bei Bäckereien, Eisdielen und anderen Geschäften der Fall ist, die in der Struktur vergleichbar sind, sollten sie möglichst umgehend einen "Antrag auf Befreiung von der Belegausgabepflicht" stellen.
Offen ist, welche Konsequenzen drohen, wenn Unternehmer gegen die Belegausgabepflicht verstoßen. Nutzen Unternehmer ein elektronisches Kassensystem, mit dem jeder Geschäftsvorfall einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufgezeichnet wird, kann davon ausgegangen werden, dass alle Einnahmen zutreffend erfasst sind und somit eine ordnungsgemäße Buchführung vorliegt. Bei einem Verstoß gegen die Belegausgabepflicht kann also nicht davon ausgegangen werden, dass ein Buchführungsmangel vorliegt, der das Finanzamt berechtigen würde, die Einnahmen um einen geschätzten Betrag zu erhöhen.