Leitsatz
Der gegen das FA gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach durch Abrechnungsbescheid entschieden werden kann.
Normenkette
§ 37, § 218 Abs. 1, § 218 Abs. 2 AO, § 143 Abs. 1, § 144 Abs. 1 InsO
Sachverhalt
Ein Insolvenzverwalter hat gegenüber dem FA Abbuchungen vom Konto des Schuldners aufgrund einer dem FA erteilten Einzugsermächtigung unter Berufung auf die InsO angefochten. Das FA bestreitet die Anfechtungsvoraussetzungen und hat hierzu einen Abrechnungsbescheid erlassen. Die dagegen erhobene Klage ist beim FG anhängig; mit ihr wird geltend gemacht, das FA habe nicht durch Abrechnungsbescheid über den Rückgewähranspruch nach insolvenzrechtlicher Anfechtung entscheiden dürfen. Ferner ist vor dem ordentlichen Gericht eine Klage auf Rückzahlung der eingezogenen Beträge gegen das FA anhängig.
Das FG hat sein Verfahren gem. § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Klage ausgesetzt. Hierüber beschwert sich das FA, das der Ansicht ist, der vor dem FG Münster (Beschluss vom 26.4.2012, 14 K 4205/11 AO, Haufe-Index 3019112, EFG 2012, 1420) geführte Rechtsstreit über den Abrechnungsbescheid sei gegenüber der zivilrechtlichen Klage vorgreiflich.
Entscheidung
Der BFH hat den Aussetzungsbeschluss des FG aufgehoben.
Hinweis
1. Handelt es sich um einen aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungsanspruch i.S.d. § 37 Abs. 2 AO, wenn es um die Rückzahlung einer Steuer geht, der Rückzahlungsanspruch sich aber nicht aus dem Steuerrecht, sondern dem Insolvenzrecht ergibt?
Das war für den BFH die entscheidende Frage: Denn über das Bestehen eines Anspruchs darf das FA im Wege eines Abrechnungsbescheids verbindlich nur entscheiden, wenn es sich um die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis handelt (§ 218 Abs. 2 AO). Über die Frage wird man trefflich streiten können: Überlagert das Insolvenzrecht das Abgabenrecht (wofür spricht, dass das FA insolvenzrechtlich ein ganz gewöhnlicher Schuldner und Gläubiger ist) oder wird umgekehrt der insolvenzrechtlich fundierte Anspruch dadurch zu einem abgaberechtlichen umgestaltet, dass er Steuern betrifft?
2. Der BFH hatte es bei der Beantwortung dieser Frage gewissermaßen leicht: Der BGH hat sie (Beschluss vom 24.3.2011, IX ZB 36/09, NJW 2011, 1365) bereits entschieden. Danach ist der auf einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung beruhende Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters ein originärer gesetzlicher, zivilrechtlicher Anspruch, der mit der Insolvenzeröffnung entsteht und dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist: Es ist nur nach den Vorschriften der InsO zu entscheiden, welche die Regelungen anderer Rechtsbereiche wie z.B. des Steuer- und Abgabenrechts verdrängen.
4. Dem vorausgegangen ist eine Entscheidung des Gemeinsamen Senats, die sich weniger eindeutig liest (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27.9.2010, GmS-OGB 1/09, BGHZ 187, 105). Aber da deren Aussage wohl auf das Arbeitsrecht beschränkt werden kann, dürfte nicht zu erwarten sein, dass BFH und BGH ihre Rechtsansicht noch einmal überdenken und revidieren.
5. In Kürze dürfte jedoch eine weitere Entscheidung des BFH zu dieser Problematik zu erwarten sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 5.9.2012 – VII B 95/12