Leitsatz
1. Die Einkünfte und Bezüge des Kindes sind im Hinblick auf den Grenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) weder um die aus dem Arbeitslohn erbrachten Sparbeiträge des Kindes noch um die als Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit erfassten Arbeitgeberbeiträge zu den vermögenswirksamen Leistungen zu kürzen.
2. Prämien für eine private Haftpflichtversicherung können bei der Grenzbetragsberechnung ebenfalls nicht abgezogen werden.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 10, § 11 des 5. VermBG
Sachverhalt
Die 1983 geborene Tochter des Klägers befand sich im gesamten Kalenderjahr 2003 in einer Ausbildung. Die Familienkasse lehnte den Antrag auf Kindergeld ab, weil die Einkünfte der Tochter den Grenzbetrag von 7.188 EUR überschritten hätten. Die von der Tochter abgeführten vermögenswirksamen Leistungen, die Lohn- und Kirchensteuer, die Prämien für eine Privathaftpflichtversicherung, eine private Unfallversicherung sowie eine Lebens- und Rentenversicherung hatte sie dabei nicht abgezogen.
Das FG gab der Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.2.2009, 6 K 83/06, Haufe-Index 2151408, EFG 2009, 937). Es ermittelte die Einkünfte und Bezüge mit 7.102 EUR, indem es die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers i.H.v. 160 EUR bei der Grenzbetragsberechnung abzog, weil diese nicht für den Unterhalt der Tochter zur Verfügung gestanden hätten.
Entscheidung
Der BFH widersprach und wies die Klage ab.
Hinweis
1. Seit dem BVerfG-Urteil vom 11.1.2005, 2 BvR 167/02 (BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) wird darüber gestritten, welche Teile der Einkünfte und Bezüge wie die Sozialversicherungsbeiträge unvermeidbar sind und für den Unterhalt nicht zur Verfügung stehen, sodass sie bei der bis zum Ablauf des Jahres 2011 vorzunehmenden Grenzbetragsberechnung unberücksichtigt bleiben.
2. Die aus dem Arbeitslohn für vermögenswirksame Leistungen erbrachten Sparbeiträge des Kindes sind nicht unvermeidbar, da sie nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen und auch nicht für eine der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechenden existenziellen Absicherung erforderlich sind.
3. Die Arbeitgeberbeiträge fließen dem Kind ebenfalls aufgrund seiner freiwilligen Entscheidung zum vermögenswirksamen Sparen zu. Sie könnten auch für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Kindes verwendet werden. Denn die Sperrfrist entfällt z.B. bei Eheschließung, einer mehr als ein Jahr andauernden Arbeitslosigkeit oder einer Verwendung des Erlöses für die eigene Weiterbildung. Die Sperrfrist hindert die Verfügung ansonsten nicht. Eine Verletzung der Verpflichtung, bis zum Ablauf der Sperrfrist nicht über die Anlage zu verfügen, lässt vielmehr lediglich den Anspruch auf Gewährung der Arbeitnehmer-Sparzulage entfallen. Würden die Arbeitgeberbeiträge wegen der Sperrfrist nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag einbezogen, so entstünde zudem eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung mit Kindern, die zwar keinen Arbeitgeberbeitrag, aber dafür eine entsprechend höhere Ausbildungsvergütung erhalten und aufgrund eines Anlagevertrages mit einer vereinbarten Sperrfrist monatlich denselben Betrag sparen.
4. Schon früher hatte der BFH entschieden, dass Aufwendungen sozialversicherungspflichtiger Kinder für ihre privaten Unfall-, Lebens- und Rentenversicherungen bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht abzuziehen sind. Dasselbe gilt für Lohn- und Lohnkirchensteuer, da diese im Folgejahr erstattet werden, wenn die Einkünfte den Grenzbetrag nicht überschreiten.
5. Für private Haftpflichtversicherungen besteht (anders als bei der Kfz-Haftpflicht) keine Versicherungspflicht. Sie gehören zwar zur Daseinsvorsorge und werden insoweit als faktisch unumgänglich angesehen. Der Grenzbetrag orientiert sich jedoch am Existenzminimum, und einer Gefährdung des Existenzminimums durch die Belastung mit hohen Schadenersatzverpflichtungen wird bereits durch die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850ff. ZPO entgegengewirkt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.9.2011 – III R 23/09