Leitsatz
Hat der Vollstreckungsschuldner seinem geschäftsunfähigen Kind in Gläubigerbenachteiligungsabsicht ein Geldguthaben auf einem Festgeldkonto bei einer Bank zugewendet und dieses Guthaben kurze Zeit später wieder abgeräumt und für eigene Zwecke verwendet, so ist der dem Anfechtungsgläubiger nach erfolgter Absichtsanfechtung zustehende Wertersatzanspruch aus Gründen des Schutzes Geschäftsunfähiger in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 AnfG a.F. auf die bei dem Kind noch vorhandene Bereicherung beschränkt. Herauszugebende Bereicherung kann hiernach der dem Kind gegen seinen Vater zustehende Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der elterlichen Vermögenssorgepflicht aus § 1626 Abs. 1, § 1664 BGB sein.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F. , § 7 AnfG a.F. , § 191 Abs. 1 AO , § 53 Abs. 2 FGO , § 54 FGO , § 116 Abs. 7 FGO , § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO , § 166 Abs. 1 BGB , § 818 Abs. 3 BGB , § 1626 Abs. 1 BGB , § 1629 Abs. 1 BGB , § 1664 BGB , § 182 ZPO a.F.
Sachverhalt
Ein Steuerpflichtiger wollte Teile seines Vermögens vor dem FA dadurch in Sicherheit bringen, dass er auf Bankkonten seiner im Kleinstkindalter befindlichen Kinder Geld einzahlte und alsdann eigene Aufwendungen mit Hilfe dieser Konten bestritt. Das wollte das FA nicht hinnehmen und erließ deshalb einen Duldungsbescheid gegen die Kinder, mit dem es die unentgeltlichen Kapitalzuwendungen anfocht, weil diese in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung erfolgt seien. Die dagegen erhobene Klage hatte erst vor dem BFH teilweise Erfolg.
Entscheidung
Der Anfechtungstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG ist – unstreitig – erfüllt. Eine Herausgabe des Erlangten ist nicht mehr möglich, weil das zugewendete Geld vom Vater (Schuldner des FA) wieder abgehoben worden ist.
Auch ein an sich an die Stelle des Rückgewährsanspruchs tretender Wertersatzanspruch ist ausgeschlossen, weil in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 AnfG ein geschäftsunfähiger Anfechtungsgegner dem gutgläubigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung gleichzustellen ist. Dieser hat das Erlangte nur insoweit zurückzugewähren, wie er noch bereichert ist. Es gilt § 818 Abs. 3 BGB, wonach die Verpflichtung zum Ersatz des Werts ausgeschlossen ist, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
Die Kinder schulden aber dem FA die Herausgabe des Anspruchs, den sie gegen ihren Vater haben, weil dieser durch die Verwendung ihres Gelds für eigene Zwecke seine Sorgepflicht für das Vermögen seiner Kinder verletzt hat (vgl. § 1626 Abs. 1, § 1642 BGB; Folge: Schadenersatzanspruch).
Hinweis
1. Die für die Verwirklichung des Anfechtungstatbestands des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG a.F. erforderliche Gläubigerbenachteiligungsabsicht ist geschäftsunfähigen Kindern "bekannt", wenn sie ihrem für sie handelnden gesetzlichen Vertreter (hier: der Vater) bekannt ist; denn dessen Kenntnis müssen sie sich anfechtungsrechtlich zurechnen lassen. Als gesetzlicher Vertreter (§ 1629 Abs. 1 BGB) kann der Vater eine eigene Geld-Schenkung an seine geschäftsunfähigen Kinder selbst annehmen. Denn eine vollzogene Schenkung bringt insofern lediglich einen rechtlichen Vorteil; das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) gilt deshalb ebenso wenig wie die Beschränkung des § 1629 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
2. Die Verwirklichung eines Anfechtungstatbestands löst einen Rückgewährsanspruch (§ 7 Abs. 1 AnfG) aus, d.h. die Pflicht des Anfechtungsgegners zur Befriedigung des Anfechtungsgläubigers die Zwangsvollstreckung in den anfechtbar erworbenen Gegenstand zu dulden (Primäranspruch). Ist der erworbene Gegenstand nachträglich untergegangen, in seinem Zustand verschlechtert oder in seinem Verkehrswert gemindert worden oder hat der Anfechtungsgegner die Herausgabe in Form der Duldung der Vollstreckung auf andere Weise unmöglich gemacht, ist der Rückgewährsanspruch durch Wertersatz zu erfüllen (Sekundäranspruch).
3. Danach stehen Kinder in Gefahr, (zeitlebens) wegen der Schulden ihrer Eltern in Anspruch genommen werden zu können, soweit diese ihnen anfechtbar etwas zugewandt haben, die Zuwendung dann aber für sich selbst verbraucht haben: der Wertersatzanspruch eines Vollstreckungsgläubigers der Eltern ist dann gegebenenfalls aus später von den Kindern selbst erworbenem Vermögen zu befriedigen! Diesem unerquicklichen Ergebnis hat der BFH jedoch durch eine von Tintelnot in JZ 1987, 795 entwickelte, kühne Konstruktion einen Riegel vorgeschoben, indem er das zulasten der Gläubiger der Eltern in der Absicht von deren Benachteiligung bedachte Kind dem gutgläubigen Empfänger einer Schenkung gleichgestellt hat.
4. Bei einem mehr als sieben Jahre alten Kind ist von vornherein nicht die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Eltern entscheidend, sondern dessen eigene Kenntnis, weil es als beschränkt geschäftsfähig eine rechtlich lediglich vorteilhafte Zuwendung selbst annehmen kann; es steht sich also von vornherein besser, als nach dem Wortlaut des Gesetzes das geschäftsunfähige Kind ohne vorgenannte Hilfskonstruktion stün...