Leitsatz
Die Grundsätze des sog. Fremdvergleichs rechtfertigen es nicht, anstelle der im Vertrag tatsächlich vereinbarten Leistung der Besteuerung eine höhere Gegenleistung unter Hinweis darauf zugrunde zu legen, dass eine solche unter fremden Dritten gefordert (und erbracht) worden wäre.
Normenkette
§ 12 EStG , § 22 Nr. 2 EStG , § 23 Abs. 4 Satz 1 EStG
Sachverhalt
M (Ehemann) erwarb von seiner Ehefrau (F) zu der ihm bereits gehörenden Grundstückshälfte den Hälfteanteil der F für 150 000 DM hinzu, und zwar zur Auseinandersetzung wegen der bevorstehenden Scheidung. Ein Jahr später verkaufte M das gesamte Grundstück für 540 000 DM. Das FA setzte einen Spekulationsgewinn von 110 000 DM an:
½ von 540 000 DM = 270 000 DM
./. Veräußerungskosten 10 000 DM
Netto-Veräußerungspreis = 260 000 DM
./. Anschaffungskosten des Hälfteanteils von 150 000 DM.
M wandte ein, der Spekulationsgewinn betrage nur 20 000 DM. Denn er habe im Rahmen der Scheidung F von Schulden freigestellt. Diese seien als weitere Anschaffungskosten zu berücksichtigen.
Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Eheleute hätten als nahe Angehörige einen zu niedrigen Verkaufspreis vereinbart. Die Anschaffungskosten der veräußerten Grundstückshälfte seien deshalb mit dem höheren tatsächlichen Wert (Verkehrswert) anzusetzen.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dem FG. Die von M erworbene Grundstückshälfte dürfe nicht mit dem Verkehrswert angesetzt werden. Die Grundsätze zum Fremdvergleich bei Verträgen unter nahen Angehörigen erlaubten es nicht, einen höheren als den vereinbarten Preis anzusetzen. Der tatsächliche Sachverhalt dürfe nicht durch einen fingierten Sachverhalt ersetzt werden.
Der Senat verwies die Sache an das FG zurück. Dieses muss nun den tatsächlich zwischen M und F vereinbarten Preis ermitteln. Entspricht die Gegenleistung dem im Notarvertrag vereinbarten Preis, liegt wegen des höheren Verkehrswerts ein teilentgeltliches Geschäft vor. Das hätte zur Folge, dass nur die Veräußerung des entgeltlich erworbenen Teils zu einem Spekulationsgewinn führen würde.
Hat M dagegen zusätzlich zu dem vereinbarten Kaupreis weitere Gegenleistungen erbracht, und zwar durch Übernahme von Verbindlichkeiten der F, wären diese als weitere Anschaffungskosten vom Veräußerungspreis abzusetzen.
Hinweis
Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Grundsätze zum "Fremdvergleich" bei Verträgen unter nahen Angehörigen nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein zu hohes Entgelt vereinbart wurde, das dann auf das Angemessene reduziert werden muss. Anders ist es jedoch, wenn eine zu geringe Gegenleistung vorliegt. Dann liegt ein teilentgeltliches Geschäft vor, das nur für den entgeltlichen Teil zu einem Spekulationsgeschäft führt (BFH, Urteil vom 22.9.1987, IX R 15/84, BStBl II 1988, 250).
Zu beachten ist, dass bei einer Vermögensauseinandersetzung anlässlich einer Scheidung ein zu niedriger Kaufpreis nicht unbedingt für ein teilentgeltliches Geschäft spricht. Denn in die Gegenleistung ist – auch wenn im Notarvertrag nicht ausdrücklich vereinbart – alles mit einzubeziehen, was zusätzlich zum vereinbarten Preis für die Grundstücksübertragung erbracht wird, wie z.B. im Streitfall die Übernahme von Schulden des Partners.
Für alle Fälle des Fremdvergleichs ist zu beachten, dass der BFH ausdrücklich offen lässt, ob diese Grundsätze auf getrennt lebende Ehegatten überhaupt anwendbar sind. Hier dürfte auf den Einzelfall abzustellen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.5.2001, IX R 78/98