Leitsatz
Wohnen die Eltern mit ihrem Kind in Deutschland und sind beide Elternteile in der Schweiz berufstätig, stehen ihnen Leistungen für ihr Kind nur nach dem in der Schweiz geltenden Recht zu. Es besteht im Inland kein Anspruch auf (Differenz-)Kindergeld. § 65 Abs. 2 EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG und gegen Unionsrecht, soweit eine Teilkindergeldregelung auch dann nicht vorgesehen ist, wenn ein Anspruch auf vergleichbare, aber geringere Leistungen an einem Beschäftigungsort im Ausland besteht.
Sachverhalt
Der Kläger ist Vater einer im Jahr 1996 geborenen Tochter und in Deutschland selbständig tätig. Die Mutter der Tochter und Ehefrau des Klägers ist als Arbeitnehmerin in der Schweiz tätig und erhält seit Juni 2002 in der Schweiz Kinderzulagen. Seit diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger nur noch "Differenzkindergeld". Nach dem die Familienkasse (FK) erfahren hatte, dass der Kläger ebenfalls eine nichtselbständige Tätigkeit in der Schweiz ausübte, hob die FK die Festsetzung von "Differenzkindergeld" unter Hinweis auf § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG auf. Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, dass ihm aus Gründen der Gleichbehandlung Kindergeld gewährt werden müsse, weil die Tätigkeit in der Schweiz nur geringfügig sei.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die FK zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Anspruch auf sog. "Differenzkindergeld" zusteht. Wohnen Eltern mit ihrem Kind in Deutschland, arbeiten aber beide in der Schweiz, stehen ihnen nach der Rechtsprechung des BFH Leistungen für ihr Kind nur nach dem in der Schweiz geltenden Recht zu; ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem in der Schweiz gezahlten und dem höheren Kindergeld nach § 66 EStG besteht nicht. Soweit das FG Münster und das Niedersächsische FG die Auffassung vertreten, dass aufgrund des EuGH-Urteils vom 20. 5. 2008 eine andere Beurteilung geboten sei, trifft dies nach Auffassung des FG nicht zu. Der EuGH hat bereits schon früher entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht (jetzt: Unionsrecht) nur eine Koordinierung, aber keine Harmonisierung der Familienleistungen vorsieht. Dass der Wohnsitzmitgliedstaat auch Kindergeld gewähren darf, bedeutet aber nicht, dass der Wohnsitzmitgliedstaat Kindergeld gewähren muss.
Hinweis
Die vom FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. III R 32/11 geführt. In diesem und in den Verfahren III R 51/09 und III R 3/11 muss der BFH die Frage klären, ob ein Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld besteht, wenn der Antragsteller im Inland wohnt, hier einer selbständigen Beschäftigung und gleichzeitig in einem anderen Mitgliedstaat einer unselbständigen Beschäftigung nachgeht.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2011, 3 K 715/10