Leitsatz
1. Die unverzinsliche lebenslängliche Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung ist im Hinblick auf den gewährten Nutzungsvorteil eine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung.
2. Wird der ausgleichsverpflichtete Ehegatte beim Tod des ausgleichsberechtigten Ehegatten dessen Alleinerbe, steht der fingierte Fortbestand von Zugewinnausgleichsforderung und -verbindlichkeit nach § 10 Abs. 3 ErbStG der Berichtigung des Kapitalwerts des als Vorerwerb anzusetzenden Nutzungsvorteils nicht entgegen.
Normenkette
§ 12 Abs. 3, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BewG, § 45 Abs. 2 AO, § 1378, § 2213 BGB, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 3, § 14 ErbStG
Sachverhalt
Kläger ist ein Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung und Vertretung des Nachlasses des ursprünglichen, inzwischen verstorbenen Klägers X übertragen wurde. Im Dezember 2004 beendeten die Eheleute X und Y den Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Zugewinnausgleichsforderung der Y in Höhe von ca. 375 TEUR wurde auf Lebenszeit des zahlungsverpflichteten Ehemannes X gestundet. Nachdem sich X und Y zu Alleinerben eingesetzt hatten, verstarb Y im November 2009.
Das FA legte der Besteuerung zunächst den Nennwert des Zugewinnausgleichsanspruchs und die lebenslange Berechtigung am Nutzungsvorteil der Zinslosigkeit zugrunde.
Nach Durchführung des Vorverfahrens erhob X letztlich Klage, die Erfolg hatte. Nach Auffassung der Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 10.9.2015, 3 K 1870/13 Erb, Haufe-Index 8801719, EFG 2016, 45) war die Zugewinnausgleichsforderung nur mit einem abgezinsten Wert in Höhe von ca. 177 TEUR und der Zinsvorteil der Vorschenkung nur mit einem laufzeitbezogenen Kapitalwert in Höhe von ca. 90 TEUR anzusetzen. Gegen die Bewertung der Vorschenkung mit einem zeitigen Kapitalwert wendet sich das FA mit der Revision.
Entscheidung
Die Revision ist unbegründet. Zunächst ist der Kläger als Testamentsvollstrecker prozessführungsbefugt, § 2213 BGB. Alle angefochtenen Erbschaftsteuerbescheide sind noch gegenüber X vor dessen Tod ergangen.
Die zinslose Stundung der Zugewinnausgleichsforderung ist eine freigebige Zuwendung; § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Gegenstand der Zuwendung ist der Verzicht auf die eigene Nutzungsmöglichkeit seitens des Zuwendenden im Zusammenhang mit der Gewährung der Nutzungsmöglichkeit an den Zuwendungsempfänger. Auch eine zivilrechtlich vereinbarte Unverzinslichkeit führt zur Besteuerung eines fiktiven Zinsanteils; § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG.
Der Nutzungsvorteil aus der zinslosen Stundung der Zugewinnausgleichsforderung ist von der Vorinstanz zutreffend mit dem Kapitalwert als Vorschenkung erfasst worden. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile zusammengerechnet. Bei der Zusammenrechnung sind die Erwerbe mit den ihnen jeweils zukommenden Werten anzusetzen. Damit ist im Streitfall der dem X als Vorschenkung zugewandte Nutzungsvorteil nicht als eine lebenslängliche Nutzung, sondern als eine Nutzung auf bestimmte Zeit zu bewerten. Dies folgt aus § 14 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BewG.
Die Berichtigung der Bewertung des Nutzungsvorteils aus der Vorschenkung ist nicht durch § 10 Abs. 3 ErbStG ausgeschlossen. Handelt es sich bei dem Vorerwerb um eine lebenslängliche Nutzungsmöglichkeit, die zunächst nach § 14 Abs. 1 BewG zu bewerten war und deren Wert danach gemäß § 14 Abs. 2 BewG zu berichtigen ist, ist der berichtigte Wert der materiell-rechtlich zutreffende Wert des Vorerwerbs. Die spezialgesetzlich für lebenslängliche Nutzungen getroffene Regelung in § 14 Abs. 2 BewG geht insoweit der allgemeinen, ein Erlöschen von Rechtsverhältnissen ausschließenden Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG vor. Sollte sich in einer älteren Entscheidung eine Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 BewG auf Vorschenkungen im Fall des § 10 Abs. 3 ErbStG herleiten lassen, so hält der Senat hieran nicht mehr fest.
Hinweis
1. Der Fall zeichnet sich in erster Linie durch bewertungsrechtliche Probleme aus.
Ehemann X beendet die mit Y bestehende Zugewinngemeinschaft im Jahr 2004. Der hierdurch entstehende Zugewinnausgleichsanspruch der Y wird dem X auf Lebenszeit gestundet. Hier zeigt sich die erste bewertungsrechtliche Besonderheit: In der Zinslosigkeit des gestundeten Anspruchs liegt eine freigebige Zuwendung, und zwar unabhängig von einer Vereinbarung der Parteien. Denn § 12 Abs. 3 BewG geht von einer regelmäßigen Verzinsung von Forderungen aus. X erhält also eine (Vor-)Schenkung in Höhe des Zinsvorteils, kapitalisiert auf seine Restlebenszeit.
2. Bereits ca. fünf Jahre später, nämlich in 2009, verstirbt Ehefrau Y. Alleinerbe und damit Gesamtrechtsnachfolger wird X.
Damit geht die Zugewinnausgleichsforderung der Y auf X über. Bewertet wird diese Forderung aber nicht mit dem Nennwert (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BewG), sondern mit einem abgezinsten Wert, § 12 Abs. 3 BewG. Dies war zwischen den Beteiligten des Besprechungsfalls auch nicht streitig.
3. Streitig war dagegen das Schicksal der Vorschenkung in ...