Leitsatz
1. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gem. § 233a – in der ab 1997 geltenden Fassung setzt voraus, dass sich zwischen der festgesetzten Steuer und einer vorangegangenen Festsetzung ein Unterschiedsbetrag ergibt. Freiwillige Zahlungen des Steuerpflichtigen auf die Steuerschuld vor deren Festsetzung sind für die Zinsberechnung nach dem Soll-Prinzip grundsätzlich unbeachtlich.
2. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Steuerpflichtige einen Umsatz rechtsirrtümlich erst in dem auf die Entstehung der Steuerschuld folgenden Jahr – also vor Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO – erklärt und versteuert.
Normenkette
§ 233a AO
Sachverhalt
Die Klägerin (Versteuerung der Umsätze nach vereinbarten Entgelten) veräußerte 1997 Eigentumswohnungen steuerpflichtig. Die im Streitjahr 1997 fälligen, aber erst 1998 eingegangenen Restkaufpreiszahlungen erklärte sie erst nach Eingang in den entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen und führte sie ab.
Das FA erfasste die Restkaufpreisforderung zutreffend im Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1997. Zugleich setzte das FA Nachzahlungszinsen fest; es hatte dabei berücksichtigt, dass und wann die Klägerin die von ihr verspätet erklärten Umsätze vorangemeldet und gezahlt hat. Das FG wies die Klage ab.
Die Klägerin begehrt den vollständigen Erlass der Nachzahlungszinsen mit der Begründung, sie habe wegen der entsprechenden Minderung der Umsatzsteuer für das Folgejahr einen Erstattungsanspruch. Der gleiche Lebenssachverhalt und die gleiche Steuer dürfe nicht in einen Nachzahlungsfall (1997) und einen Erstattungsfall (1998) künstlich zerteilt werden. Die Verzinsung einer getilgten Steuer verstoße gegen das Verbot einer Übermaßbesteuerung und gegen die 6. EG-RL.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Nachdem das FA bereits berücksichtigt hatte, dass und wann die Klägerin die verspätet erklärten Umsätze vorangemeldet und bezahlt hat, bestand für die Behauptung eines weiteren Nachteils keine Grundlage. Der BFH bestätigte seine Entscheidung, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen weder gegen den Grundsatz der Belastungsneutralität innerhalb der Unternehmerkette verstößt noch – entgegen dem Verbot des Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL – eine umsatzsteuerähnliche Abgabe ist (ausführlich BFH vom 9.10.2002, V R 81/01, BFH-PR 2002, 75).
Hinweis
Nachzahlungszinsen wirken i.d.R. wie ein rotes Tuch. Dennoch: Der Gesetzgeber hat sich (auch verfassungsrechtlich zulässig) typisierend für die Soll-Verzinsung entschieden. Um dies unmissverständlich zu machen setzt er in der ab 1997 geltenden Gesetzesfassung nicht – wie zuvor – eine "Steuernachforderung", sondern (lediglich!) einen "Unterschiedsbetrag" voraus. Freiwillige Zahlungen des Steuerpflichtigen auf die Steuerschuld vor deren Festsetzung sind deshalb für die Zinsberechnung nach dem Soll-Prinzip des § 233a – grundsätzlich unbeachtlich.
Auch wenn das FA vor der Steuerfestsetzung Zahlungen des Steuerpflichtigen auf die Steuerschuld entgegengenommen hat und hierdurch die festgesetzte Steuerschuld getilgt ist, sind nach der Neufassung grundsätzlich Zinsen auf den "Unterschiedsbetrag" zu erheben (vgl. BFH, Beschluss vom 31.5.2001, IV B 141/00, BFH/NV 2001, 1375). Diese Grundsätze gelten auch für vergleichbare Sachverhalte: so z.B. wenn der Steuerpflichtige einen Umsatz rechtsirrtümlich erst in dem auf die Entstehung der Steuerschuld folgenden Jahr (und noch vor Beginn des Zinslaufs) erklärt und versteuert hat.
Zweifelhaft ist, ob es nach der die Typisierung entschieden in den Vordergrund stellenden Neufassung des § 233a AO (ab 1997) Fälle gibt, in denen das Soll-Prinzip zu einer Übermaßbesteuerung führt. Die Entscheidung des X. Senats im Urteil vom 30.10.2001, X B 147/01 (BFH/NV 2002, 505) enthält eine gute Zusammenfassung der Gründe, die schon nach § 233a AO alter Fassung auf keinen Fall berücksichtigt werden konnten; sie nennt als möglichen Grund für einen Billigkeitserlass, wenn im Einzelfall zweifelsfrei feststeht, dass kein Zinsvorteil bestand. Das erscheint nach der Neufassung zweifelhaft. Jedenfalls aber kann dies allenfalls im Billigkeitsverfahren geprüft werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.11.2002, V R 75/01