Leitsatz
Die Ausstrahlung eines Fernsehprogramms ist keine Filmvorführung i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980 (Bestätigung von Abschn. 167 Abs. 2 Satz 2 UStR 1996/2005).
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG 1980, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1967, Art. 12 Abs. 4, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Anbieter für Bezahlfernsehen (sog. "Pay-TV"), erstellt in einem Abwicklungsstudio von Informationsträgern (Filmkopien oder Magnetbändern) ein Fernsehprogramm und strahlt es über Satelliten, Kabelnetze und sonstige technische Einrichtungen verschlüsselt aus. Die Abonnenten können das Programm mit Hilfe eines von der Klägerin zur Verfügung gestellten Geräts entschlüsseln und auf einem Fernsehgerät betrachten.
FA und FG waren der Auffassung, die Klägerin könne die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG nicht beanspruchen.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hatte für eine analoge Anwendung der in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1967 vorgesehenen Steuerermäßigungsvorschrift für Fernsehsendungen plädiert. Diese Vorschrift hat der Gesetzgeber – nach einer Entscheidung des BVerfG, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei eine Tätigkeit nicht gewerblicher oder beruflicher Art, als danach gegenstandslos – bewusst nicht ins UStG 1980 übernommen.
Der BFH entschied, für das Vorliegen einer nachträglichen, "sekundären Regelungslücke" fehle deshalb ein Anhaltspunkt, weil der Gesetzgeber auch nach Zulassung des Bezahlfernsehens die Regelung nicht wieder eingeführt habe und die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen und u.a. durch das Verbot der Veranstaltung von Bezahlfernsehen nicht vergleichbar seien und außerdem Steuerermäßigungsvorschriften eng auszulegen sind.
Ob der Neutralitätsgrundsatz verletzt ist, muss das nationale Gericht prüfen; verneint es das, kommt eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht.
Hinweis
Streitig war, ob der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG für "die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen" auf die Umsätze des Bezahlfernsehens anwendbar ist.
1. Begünstigte Leistung ist die "Vorführung" von Filmen. Der BFH knüpft insoweit an das Urheberrecht an, das zwischen der "öffentlichen Filmvorführung" (§ 19 Abs. 4 Satz 1 UrhG = Recht, ... ein Filmwerk ... durch technische Einrichtungen "öffentlich wahrnehmbar zu machen") und dem Senderecht (§ 20 UrhG = Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen) unterscheidet. Auch das verschlüsselte Bezahlfernsehen ist grundsätzlich eine Fernsehsendung in diesem Sinn, und die Abonnenten sind die Öffentlichkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 2.6.2005, Rs. C-89/04, Mediakabel, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2005, 251, Rd.Nrn. 30, 32, 38 f., 45).
2.Art. 3 Abs. 1 GG erfordert keine Gleichstellung des Bezahlfernsehens mit Filmvorführungen; denn das Betrachten eines Films auf dem heimischen Fernsehgerät unterscheidet sich in mehrfacher, auch in zeitlicher Hinsicht von der Filmvorführung. Art. 3 Abs. 1 GG erfordert auch keine Gleichstellung mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, denn der ist kein Bezahlfernsehen, sondern nach Auffassung des BVerfG (Urteil vom 27.7.1971, 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68, BStBl II 1971, 567) eine Tätigkeit nicht gewerblicher oder beruflicher Art. Der Gesetzgeber hat die Veranstaltung von Programmen, die über den Markt nicht oder nicht in wünschenswerter Qualität zustande kommen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auferlegt, und muss dafür seine Finanzierung sicherstellen, die mit der Gebührenfinanzierung die Möglichkeit eröffnet, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen zu gewährleisten.
3. Eine Berufung auf die Steuerbefreiung für öffentliche Fernsehanstalten (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q der 6. EG-RL) scheidet aus, weil Tätigkeiten mit "gewerblichem Charakter" von dieser Steuerbefreiung generell ausgenommen sind. Im Übrigen sind auch gemeinschaftsrechtlich, wie Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 und 4, Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q und Anhang D Nr. 13 der 6. EG-RL zweifelsfrei bestätigen, Grundversorgung und Bezahlfernsehen keine gleichartigen Leistungen, die gleich besteuert werden müssten; denn der Gemeinschaftsgesetzgeber unterscheidet – nach der Art der Leistungen und nicht nach der Organisationsform des Leistenden – die "Grundversorgung" der Bevölkerung und die gewerblichen Fernsehdienstleistungen: Die "Grundversorgung" ist steuerfrei zu belassen, während Fernsehleistungen mit gewerblichem Charakter steuerpflichtig sind.
Ein Mitgliedstaat darf die öffentliche Hand – hier: eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt – gemeinschaftsrechtlich jedenfalls insoweit als Nichtunternehmer ansehen, als sie – hier: nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. q der 6. EG-RL – steuerfreie Leistungen erbringt; für nicht unbedeutende Leistu...