Leitsatz
Für ein Kind, das gegen den mit ihm nicht verheirateten Vater seines Kindes einen vorrangigen Unterhaltsanspruch aus § 1615l BGB hat und mit dem Vater seines Kindes in einem gemeinsamen Haushalt lebt, entfällt bei entsprechender Leistungsfähigkeit des Kindesvaters die Unterhaltspflicht der Eltern gem. § 1601 BGB und damit der Anspruch auf Kindergeld.
Sachverhalt
Die Klägerin bezog bis April 2009 Kindergeld für ihre im August 1984 geborene nicht verheiratete Tochter. 2007 lebte sie jedoch noch mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Vater ihres im August 2006 geborenen Sohnes, in einem gemeinsamen Haushalt. Die Familienkasse (FK) hob die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2007 gemäß § 70 Abs. 4 EStG auf. Die FK vertrat die Auffassung, dass die Tochter sich als Bezüge auch Unterhaltsleistungen in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen ihren eigenen Einkünften und Bezügen und den (höheren) Einkünften des Vaters ihres Kindes zurechnen lassen müsse. Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, ein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB setze voraus, dass die Mutter aufgrund der Betreuung ihres Kindes einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen könne. Die Tochter sei aber nicht wegen der Betreuung ihres Kindes daran gehindert gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sondern weil sie sich in Ausbildung befunden habe.
Entscheidung
Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Es vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung des BFH, Beschluss v. 22.12.2011, III R 8/08, BStBl 2012 II S. 340) zum Ansatz der Unterhaltsleistungen bei Ermittlung der Einkünfte und Bezüge gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bei zusammen lebendenden Ehegatten auch für ein Kind, das gegen den mit ihm nicht verheirateten Vater seines Kindes einen Unterhaltsanspruch aus § 1615 l BGB hat, gelten, wenn es mit dem Vater seines Kindes in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Der hiervon abweichenden Rechtsauffassung des Niedersächsischen FG, das einen Unterhaltsanspruch der Kindesmutter gegen den (ebenfalls berufstätigen) Kindesvater aus § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB verneint, wenn diese ihre Berufsausbildung in Vollzeit fortsetzt (Niedersächsisches FG, Urteil v. 27.6.2011, 16 K 123/11, EFG 2011 S. 1909) schließt sich das FG nicht an. Nach Auffassung des FG misst die vorstehend genannte Entscheidung dem Wortlaut des § 1615 l BGB nicht die notwendige Bedeutung bei und entspricht auch nicht der Rechtsprechung der Familiengerichte.
Hinweis
Die von dem FG zugelassene Revision wurde eingelegt und wird unter dem Az. III R 55/12 beim BFH geführt. In diesem Verfahren muss der BFH entscheiden, ob die Tochter der Klägerin dem Grunde nach einen Unterhaltsanspruch nach § 16151 BGB gegen den Vater ihres eigenen Kindes hat, der zum Wegfall des Kindergeldanspruches der Klägerin führen würde, und ob der Unterhaltsanspruch der Tochter gegenüber dem Kindesvater zu den "Bezügen" i.S. von § 32 Abs.°4 Satz 2 EStG gehört. Versagen die FK in vergleichbaren Fällen die Gewährung von Kindergeld sollten die ablehnenden Bescheide mit einem Einspruch offen gehalten und auf das vorstehende Revisionsverfahren verwiesen werden. Wegen der gleichen Rechtsfrage ist auch das Verfahren V R 42/11 beim BFH anhängig.
Link zur Entscheidung
FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.09.2012, 2 K 34/11